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Bericht Wohneigentum Region Winterthur 2024

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Autarke Energieversorgung: Wunsch und Wirklichkeit

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Mit Autarkie wird unter anderem die wirtschaftliche Unabhängigkeit eines Privathaushalts bezeichnet. Unabhängig sein von einem Energieversorger – das ist nicht nur ein mögliches Beispiel, sondern ein lang gehegter Wunsch von vielen Menschen. Seit 2016 steht im zürcherischen Brütten ein Mehrfamilienhaus mit neun Mietwohnungen. Es ist weltweit das erste energieautarke Mehrfamilienhaus, das ohne externe Anschlüsse für Strom, Öl und Erdgas auskommt.

Erstaunlich ist es schon: In unserem Land werden nach wie vor rund zwei Drittel der Haushalte mit Öl oder Gas beheizt und vielfach mit den gleichen Energieträgern Warmwasser aufbereitet. Und trotzdem gilt die Schweiz als Pionierin für autarkes Wohnen – zumindest was 2016 die Eröffnung des ersten energieautarken Mehrfamilienhauses der Welt im zürcherischen Brütten betrifft. Auch fünf Jahre später funktioniert das Wohnen ohne externe Energieversorgung.

Die Nuklearkatastrophe von Fukushima löste eine ganz neue Energiediskussion aus, mit dem Ziel, Kernenergie in absehbarer Zukunft für die Energieversorgung auszuschliessen. Diese Absicht ist nun seit dem Ja zur Energiestrategie 2050 gesetzlich verankert. Mit der raschen Zunahme der E-Mobilität und dem Umstieg von fossilen auf erneuerbare Heizsysteme weiss man heute schon fast sicher, dass es künftig wohl eher mehr als weniger Strom braucht. Er soll aber möglichst nur mit erneuerbaren Energiequellen produziert werden.

Speichern ist die Knacknuss

Eine Möglichkeit dazu zeigt das Mehrfamilienhaus in Brütten, ein Projekt der Umwelt Arena Schweiz. Die gesamte elektrische und thermische Energie wird aus der Sonne bezogen und durch verschiedene Speicherformen (Kurz- und Saisonalspeicher) im Gebäude über das gesamte Jahr genutzt. Die Speicherformen von Energie waren lange Zeit die Knacknuss in der autarken Energieversorgung. Die Sonne spendet zwar genügend Energie, um sie zu bündeln und damit Haushalte zu versorgen, aber die Energie kann in Tages- und mittelfristigen Batteriespeichern nicht für lange Zeit gespeichert werden.

In Brütten wurde die Langzeitspeicherung deshalb anders gelöst. Dafür kommt eine  Umwandlung von Strom der Photovoltaikanlagen zu Wasserstoff zum Einsatz. Der Wasserstoff wird zwischengespeichert und bei Bedarf über eine Brennstoffzelle in elektrische und thermische Energie umgewandelt. Ein weiterer Teil des Photovoltaik-Stroms wird mit einer Wärmepumpe in Wärme umgewandelt. Diese wird einerseits zur Brauchwarmwassererwärmung und zum Heizen sowie anderseits zur Ladung der thermischen Kurz- und Langzeitspeicher eingesetzt.

Autark erfordert bewussten Umgang mit Energie

Das klingt alles vielversprechend und machbar – ist es auch. Der Langzeitspeicher soll nur an Spitzentagen – also, wenn der Energiebedarf nicht mehr nur durch die Wärmepumpe und den Kurzzeit-Batteriespeicher abgedeckt werden kann – zum Einsatz kommen. Es ist falsch zu glauben, dass man mit autarker Energieversorgung unbedarft Strom konsumieren kann. Denn auch in den neun Brüttener Mietwohnungen gibt es Haushalts- und Küchenmaschinen, Unterhaltungselek­tronik und zwischenzeitlich vielleicht auch E-Autos, die regelmässig mit Energie versorgt werden müssen. Das Musterhaus in Brütten soll auch unter Beweis stellen, wie der Umgang mit neusten Technologien und das eigene Verhalten den individuellen Energiebedarf beeinflussen. Das bedeutet: Hier wohnen sowohl energiebewusste Personen als auch Menschen, die weniger auf sparsamen Energieverbrauch bedacht sind.

Wie kann Sonnenenergie direkt genutzt werden? Zum Beispiel, indem bei der architektonischen Planung die direkte Nutzung der Sonnenenergie im Wohnraum, also die Sonnenbestrahlung von Fassaden und Fenstern, miteinbezogen wird. Das gilt auch für die komplette Gebäudesteuerung inklusive automatisierte Verschattung im Sommer. Ein Energieinformationssystem führt dem Nutzer seinen aktuellen Energieverbrauch vor Augen. Das alles wurde so in Brütten umgesetzt.

Zudem werden neben einer abgestimmten Gebäudedämmung die Fassaden- und Dach­elemente optimal für die Verwendung von Solarzellen ausgenutzt.

Dank der Steuerung der Energieflüsse wird die Energie nach Bedarf abgegeben. Bei der autarken Energieversorgung wird der sachgemässe Verbrauch von Energie zum Herzstück. Das gilt vor allem für Küchen- und Haushaltsgeräte mit der höchsten Energieeffizienz-Klasse. Die Beleuchtung im Gebäude erfolgt ausschliesslich über modernste LED-Technologie, die in der Lichtfarbe auf die entsprechende Raumnutzung abgestimmt ist.

Selbst an die individuelle Mobilität ist bei der Projektierung gedacht worden. Den Bewohnern werden nämlich zwei umweltfreundliche Fahrzeuge zur Verfügung gestellt: ein Elektro- und ein Bio-/Erdgasauto. Für letzteres steht so viel Biogas bereit, wie aus den biologischen Abfällen aller Bewohner gewonnen werden kann.

Die Speicherung von Energie

Elektrische Energie wird kurz- bis mittelfristig (1 bis 3 Tage) in Kurzzeitspeichern für den laufenden Bedarf «gelagert». 

Für die Langzeitspeicherung wird ein gasförmiges Speichermedium in Form von Wasserstoff eingesetzt. Bei dieser Technologie entsteht einerseits bei der Produktion und andererseits bei der Rückverstromung thermische Energie. Sie wird vor allem im Winter bei der Rückverstromung für die Warmwasseraufbereitung und die Heizung genutzt.

Thermische Energie für die Speicherung von Überschüssen, die kurzzeitig anfallen, stehen konventionelle Wasserspeicher zur Verfügung. Für die Langzeitspeicherung werden innovative Speicherlösungen eingesetzt. 

(Quellen: u.a. www.umweltarena.ch)

Autor

Joseph Weibel

Redakteur HEV Wohneigentümer

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