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Denkmalschutz – Urteil des Bundesgerichts vom 7. Juni 2021

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In der traditionsreichen Schweiz geniesst der Denkmalschutz einen hohen Stellenwert. Er bildet eine rechtliche Anordnung mit dem Zweck, das architektonische Kulturerbe für kommende Generationen zu sichern und zu erhalten. Verschiedene internationale Richtlinien sowie nationale und kantonale Gesetze bilden dafür die Grundlage. Im Kanton Zürich regelt das Planungs- und Baugesetz (PBG) den Denkmalschutz. Für die konkrete fachliche Umsetzung zuständig ist die Denkmalpflege des Kantons Zürich bzw. der einzelnen Gemeinden. Der Zürcher Verein Heimatschutz als privatrechtlicher Verein engagiert sich für die Erhaltung dieser Baukultur. Er beobachtet scharf die Umsetzung in den Gemeinden und nimmt mit Hilfe des Verbandsbeschwerderechts entsprechend Einfluss.

In den vergangenen Jahren hat sich die Regelung zur Umsetzung des Denkmalschutzes, insbesondere auch aufgrund der Rechtsprechung, stark konkretisiert. Dies teilweise auch zum Vorteil der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer betreffend Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Gemäss kantonalem Planungs- und Baugesetz sind die Gemeinden verpflichtet, über potenzielle Schutzobjekte ein Inventar zu führen. Gegen eine Inventarisierung kann grundsätzlich weder von Verbänden noch von den Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer ein Rechtsmittel ergriffen werden, da es nur behördenverbindlich ist und vorerst eine reine Schutzvermutung über Objekte belegt. Im Gegenzug bedeutet dies, dass auch nicht gegen ein nicht-inventarisiertes Gebäude rekurriert werden kann. Der konkrete, grundeigentümerverbindliche Schutzentscheid über ein inventarisiertes Objekt erfolgt erst, wenn ein sogenanntes Provokationsverfahren von Seiten der Grundeigentümerin bzw. des Grundeigentümers ausgelöst wurde und ein nach wissenschaftlichen Kriterien erstelltes Gutachten einer anerkannten Fachexpertin bzw. Fachexperten vorliegt. Der Schutzentscheid erfolgt heute über einen gegenseitigen Vertrag oder über eine einseitige Verfügung und beinhaltet insbesondere den Schutzumfang bzw. in wenigen Fällen – sofern die Inventarisierung gewissenhaft und fachlich korrekt durchgeführt wurde – eine Entlassung aus dem Inventar. Gegen diesen Entscheid kann das entsprechende Rechtsmittel ergriffen werden. Dies die sachliche Ausgangslage eines Themas, welches sehr oft kontrovers diskutiert wird.

Der sogenannte Ermessenspielraum für die Gemeinden hat sich in den vergangenen Jahren markant verringert. Der jüngste Bundesgerichtsentscheid vom 7. Juni 2021 (1C_92/2021) scheint diese Beobachtung zu stützen und gar zu verstärken. Eine Gemeinde hatte entschieden, ein Gebäude mit entsprechender Bedeutung nicht ins Inventar aufzunehmen. Der Zürcher Verein Heimatschutz hat gegen dessen bewilligten Abbruch erfolgreich rekurriert. Demnach sind Verbände auch dann zu einem Rechtsmittel gegen die Abbruch- bzw. Baubewilligung legitimiert, falls eine Gemeinde ein betroffenes Objekt trotz seiner Bedeutung zu Unrecht nicht inventarisiert hat.

Es geht nun nicht darum darüber zu urteilen, wer zu welchem Zeitpunkt falsch entschieden haben könnte. Es mag ein Einzelfall sein, welcher wohl eher selten auftreten wird. Alle beteiligten Parteien spielen ihre Rolle zum Schutz der eigenen, hier öffentlichen Interessen. Sie befolgen die gesetzlichen Grundlagen und urteilen nach bestem Wissen und Gewissen. Es ist soweit auch verständlich und liegt in der Natur der Sache, dass der Zürcher Verein Heimatschutz das Bedürfnis hat, sich gegen einen allfälligen Abbruch eines nicht inventarisierten bedeutenden Objektes wehren zu dürfen. Dieses Rechtsmittel sollte durch die Verbände aber mit Bedacht eingesetzt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Sinn und Zweck eines Inventars grundsätzlich in Frage gestellt werden. Solange ein Inventar gewissenhaft und nach fachlichen Kriterien erstellt wurde, in welchem auch ein beschränkter politischer Ermessensspielraum berücksichtigt wurde, sollte dieses ihre Legitimität beibehalten dürfen. Ansonsten verkommt der Denkmalschutz zum reinen Verwaltungsakt.

Ich bin überzeugt, dass die Zürcher Gemeinden dem Heimatschutz die nötige Beachtung schenken und ihrer Pflicht gewissenhaft nachkommen. Mit dem jüngsten Bundesgerichtsurteil drängt sich zur Wahrung der Rechtsicherheit wohl auf, den Verein Heimatschutz bei der Inventarisierung einzubinden. Dabei soll den Gemeinden in begründeten Fällen weiterhin ein politischer Ermessensspielraum zugestanden werden dürfen.

Autor

Marco Nuzzi

Stadtpräsident Illnau-Effretikon, Vorstandsmitglied Hauseigentümerverband Region Winterthur und Regionalvertreter Illnau-Effretikon

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