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Bericht Wohneigentum Region Winterthur 2024

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Der Traum von der energetischen Selbstversorgung

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Die Schweiz erzeugt den grössten Teil ihrer Energie aus Wasserkraft und anderen erneuerbaren Energieträgern. © Shutterstock

Das Gas ist knapp, der Strompreis steigt. Da ist klar, dass Hauseigentümer auf den Gedanken kommen, auch bei der Energie die Selbstversorgung anzukurbeln. Es ist und bleibt wohl noch eine Weile ein Traum: ein Einfamilienhaus, das sich fast komplett selbstständig mit Strom und Wärme versorgt.

Der Traum der weitgehenden Selbstversorgung mit Strom und Wärme hat im Nachbarland Deutschland noch mehr Dynamik angenommen, weil Gas und Öl einen grossen Teil in der Energieversorgung in Deutschland ausmachen. In einem Beitrag im «Spiegel» (20. August 2022) wird über einen Gebäudeplaner berichtet, der zwei identische energieautarke Häuser nebeneinander bauen liess. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Häuser kaum von herkömmlichen. Einzig die Dächer sind deutlich steiler. Darauf wurden Kollektoren für Solarthermie und Module für Photovoltaik installiert. Gut 95 Prozent seines Strombedarfs kann der Gebäudeplaner damit abdecken. Selbst das Elektroauto (10  000 Kilometer Fahrstrecke im Jahr) wird mit hauseigener Energie vollgetankt.

Nebel als grösster «Feind»

Wie geht das? Das Problem ist ja, dass im Sommer dank der stärkeren und längeren Sonneneinstrahlung viel mehr Energie als nötig produziert werden kann. Im Winter, wenn viel mehr Energie benötigt wird, fehlt es – je nach Standort –  an der entsprechenden Sonneneinstrahlung. Der grösste Feind ist eine zähe Nebeldecke, wie sie im Winter in gewissen Regionen anzutreffen ist. Also muss man überschüssige Energie speichern und in den Winter «retten». Genau das passiert beim Musterhaus, das im deutschen Magazin «Spiegel» Modell steht für den Traum vom autarken Haus. Die Wärme der Solarthermie wird in einen 9000 Liter fassenden Langzeit-Wasserwärmespeicher geleitet, der sich mit einem Durchmesser von zwei Metern vom Keller bis unters Dach erstreckt. Damit kann die Sonnenwärme vom Ende des Sommers über mehrere Wochen bis in den Winter hinein gespeichert werden. Weil das aber immer noch nicht ausreicht, kompensiert der Hausbesitzer die fehlende Energie mit Holz. Dank dicker Wände aus Ziegelsteinen ist das Haus gut gedämmt.

Mit einem Langzeit-Wasserwärmespeicher lässt sich die über Solarzellen produzierte Energie speichern und im Sommer einsetzen. © Shutterstock
In Oberburg bei Burgdorf produziert die Firma Jenni Energietechnik Solar- und Heizungsspeicher von 600 bis 300  000 Litern. © zVg

Eine gute Lösung: ein Wärmespeicher

Saisonale Wärmespeicher sind nicht neu und auch in der Schweiz erhältlich (siehe auch «Nachgefragt»). Allerdings handelt es sich um eine Investition, die eine längere Amortisationszeit erfordert, ehe sie sich rechnet. Um wieder auf das deutsche Beispiel zurückzukommen: Der Hausbau war wegen der Installationen für die autarke Energieversorgung um 25 Prozent teurer. Im Falle des Gebäudeplaners werde sich die Investition aber in weniger als zwanzig Jahren rechnen, steht im «Spiegel» weiter. Allerdings lässt sich die Liegenschaft trotz der raffinierten Energieversorgung «nur» zu 70 Prozent selbst versorgen. Der Wasserspeicher müsste um ein Mehrfaches grösser sein, um die «letzte Meile» abzudecken. Die letzten 30 Prozent Autarkie seien allerdings so teuer wie die ersten 70, gibt der Gebäudeplaner im «Spiegel»-Beitrag zu bedenken.

Dieses Bild zeigt deutlich auf, dass ein Heizungsspeicher ab einer gewissen Grösse auch entsprechend Platz braucht in einem Haus. © zVg

Seit 2016 ein autarkes Musterhaus in der Schweiz

Wie sehr die Autarkie, wie unter anderem die wirtschaftliche Unabhängigkeit eines Privathaushalts bezeichnet wird, noch in den Anfängen steckt, zeigt das Mehrfamilienhaus mit Mietwohnungen im zürcherischen Brütten. Es ist weltweit das erste energieautarke Mehrfamilienhaus, das ohne externe Anschlüsse für Strom, Öl und Erdgas auskommt. Als wir vor einem Jahr in diesem Magazin ausführlich über dieses Musterbeispiel berichtet haben, waren Benzin und Heizöl nach wie vor relativ günstig, ebenso das Gas. Ein Jahr später ist alles anders. Da wird die Selbstversorgung mit Energie schnell zum Thema Nummer eins. Was im ersten Teil dieses Beitrags beschrieben wird, hat in Brütten im Musterhaus 2016 Einzug gehalten: eine Langzeitspeicherung von Sonnenenergie. Dafür kommt eine Umwandlung von Strom der Photovoltaikanlagen zu Wasserstoff zum Einsatz. Der Wasserstoff wird zwischengespeichert und bei Bedarf über eine Brennstoffzelle in elektrische und thermische Energie umgewandelt. Ein weiterer Teil des Photovoltaikstroms wird mit einer Wärmepumpe in Wärme umgewandelt. Diese wird einerseits zur Brauchwarmwassererwärmung und zum Heizen sowie andererseits zur Ladung der thermischen Kurz- und Langzeitspeicher eingesetzt. Fachleute sind sich einig, dass ein Haus zu 70 bis maximal 80 Prozent autark energetisch versorgt werden kann. Es stellt sich aber auch hier die Frage des Preises, und wie lange es dauert, bis sich diese Investition rechnet.


NACHGEFRAGT

Interview: «Der Nebel ist der grösste 'Feind'»

Die langfristige Speicherung von erneuerbarer Energie zählt zu den zentralen Herausforderungen der künftigen Energieversorgung. Eine Möglichkeit, überschüssige erneuerbare Energie zu speichern, sind Wärmespeicher. Zu den führenden Solarunternehmen gehört das Burgdorfer Unternehmen Jenni Energietechnik, Hersteller von Solar- und Heizungsspeichern mit einer Kapazität von 600 bis 300   000 Litern. Josef Jenni, Gründer und Geschäftsführer, zeigt auf, was in bestehenden und neuen Liegenschaften möglich ist.

Josef Jenni
Gründer und Geschäftsführer
Jenni Energietechnik

Herr Jenni, wie aufwendig ist der Einbau eines Kombispeichers in eine bestehende Liegenschaft. Lohnt sich das?
Josef Jenni: Wenn wir uns auf eine bestehende Liegenschaft – also ein durchschnittliches Einfamilienhaus – beschränken, so unterscheiden wir in drei Stufen. Auf Stufe 1 handelt es sich um einen 500 bis 600 Liter fassenden Warmwasser-Solarboiler, der von 5 Quadratmetern thermischen Sonnenkollektoren gespiesen wird. Damit können ganzjährig 60 bis 70 Prozent der Warmwasseraufbereitung abgedeckt werden.  Ein solches System gibt es ab 12  000 Franken.

Ein System, das nur Warmwasser, aber keine Heizenergie produziert?
Richtig. Anders verhält es sich, wenn Sie sich für eine kombinierte Anlage entscheiden, die sowohl für bestehende als auch neue Liegenschaften geeignet ist. Das wäre dann die zweite Stufe. Mit dem Einbau eines Kombispeichers mit einem Fassungsvermögen von 1000 bis 3000 Litern und einer Sonnenkollektorenanlage mit einer Fläche von 15 bis 20 Quadratmetern erzielt man einen solaren Deckungsgrad für Heizung und Warmwasser von 25 bis 50 Prozent, über ein ganzes Jahr gesehen. Die Kosten sind gut doppelt so hoch wie für die eingangs erwähnte teilautarke Warmwasserversorgung.

Wie kommt es zu dieser hohen Differenz zwischen dem prozentualen Minimum- und dem Maximumertrag?
Entscheidend ist der Energiebedarf des Gebäudes und auch der Standort einer Liegenschaft. In den Herbst- und Wintermonaten wird der Nebel zum grössten Feind der Sonnenkollektoren. Die Wetterprognose: Ganze Schweiz sonnig mit einer Nebelobergrenze auf 1000 Metern, ist der ungünstigste Fall. Wenn Sie in einem nebelarmen Gebiet wohnen, so ist der Ertrag von Solarthermieanlagen im Winter auch gut. Grundbedingungen dafür sind die Ausrichtung der Kollektoren gegen Süden und eine Neigung von 30 bis 60 Grad.

Was sieht Stufe 3 vor?
Bei Stufe 3 handelt es sich um eine Hochdeckungsgradanlage mit einem Kombispeicher von 10  000 bis 15  000 Litern und einer Sonnenkollektorenanlage, die sich auf einer Fläche von 40 Quadratmetern erstreckt. Im optimalen Fall wird damit ein autarker Grad von 95 Prozent für Heizenergie und Warmwasseraufbereitung erzielt, mindestens 70 Prozent. Für die Abdeckung von Spitzen im Winter erweist sich ein Schwedenofen mit Was­serwärmetauscher als ideale Lösung. Damit wird ein Viertel der erzeugten Wärme im Wohnbereich abgegeben, drei Viertel dienen der Heizung und Warmwasseraufbereitung. Dafür werden im Jahr 0 bis 1000 Kilogramm Holz benötigt.
Allerdings ist diese Hochdeckungsgrad­anlage ausschliesslich für einen Neubau geeignet. Die Mehrkosten für dieses
Solarsystem betragen 40  000 bis 50  000 Franken. Die Investition bewegt sich also in einem ähnlichen Rahmen wie für eine Erdsondenwärmepumpe. In Betracht ziehen muss man natürlich den nicht unerheblichen Platzbedarf für einen solchen Kombispeicher.

Was braucht mehr Energie: die Wärmeerzeugung für das Heizen oder das Warmwasser?
Wenn eine Liegenschaft gut gedämmt oder sogar als Energiesparhaus entwickelt ist, ist der Energiebedarf für die Warmwasseraufbereitung immer häufiger der grössere Teil. Sorgsamer Umgang mit Warmwasser hat eine grosse Bedeutung.

Man könnte meinen, eigentlich ist der Weg frei zum autarken Haus. Was könnte da dem Weg geradeaus noch hinderlich sein?
Zum einen: eine Preis- und Informationsfrage. Ein weiterer wesentlicher Grund sind die vielen gesetzlichen Auflagen und die Reglementierungsflut. Das braucht sehr viel Zeit, die wir anders besser nutzen könnten.

75 Prozent Strom aus Wasserkraft

  • 30 Prozent der weltweit erzeugten Elektrizität stammt heute aus Sonnen-, Wind-, Wasserenergie und anderen nachhaltigen Quellen (2000: Anteil bei 20 Prozent).
  • Die Schweiz erzeugt den grössten Teil ihres Stromverbrauchs (75 Prozent) aus erneuerbaren Energien, hauptsächlich durch Wasserkraftwerke.
  • Für die Stromerzeugung gibt es in der Schweiz 100 Stauseen (15 davon haben ein Pumpsystem). Im Vergleich zu den benachbarten Alpenländern verfügen Wasserkraftwerke hierzulande über grössere Rückhaltebecken. Sie können deshalb über längere Zeiträume betrieben werden (gemäss dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen).
  • Wenn die Alpengletscher verschwinden, hat die Schweiz die Möglichkeit, neue Dämme und künstliche Seen in den Bergen zu bauen. Damit wird die Energiespeicherkapazität in den Alpen erhöht und die Rolle der Schweiz als Strombatterie Europas gestärkt.

Quelle: swissinfo.ch

Die Speicherung von Energie

Batterien und Akkus sind die altbekannten Stromspeicher, auch für die Photovoltaik. Sie speichern Strom chemisch und sind schon länger erprobt. Diese Speicherart hat allerdings eine geringe Speicherkapazität und ist deshalb vergleichsweise teuer.

Solare Warmwasserspeicher sorgen dafür, dass auch an weniger schönen Tagen (ohne Sonneneinstrahlung) ausreichend warmes Wasser zur Verfügung steht. Das Wasser fliesst durch Rohrschlangen. Das Volumen des solaren Warmwasserspeichers sollte den 1,5- bis 2-fachen Wasserverbrauch im Tag umfassen. Man rechnet zwischen 80 und 100 Litern pro Person. Gängige Speichergrössen liegen zwischen 300 und 500 Litern.

Ein weiterer indirekter Stromspeicher entsteht durch die Umwandlung von Strom in Wasserstoff. Möchte man aus diesem Wasserstoff wieder Strom erzeugen, so werden dafür Brennstoffzellen benutzt. Der ganze Vorgang ist jedoch sehr aufwendig und geht zudem mit hohen Energieverlusten einher.

Quelle: Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, VSE

Autor

Joseph Weibel

Redakteur HEV Wohneigentümer

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