Ich nicht. Ferraris sind rot, Waschmaschinen weiss und Staubsauger zum Staubsaugen da. Welche Rolle das Design auch bei scheinbar alltäglichen Dingen spielt, und wie die Farbwahl von Produkten sogar zum Kulturgut wird, das zeigt Andreas Enslin, Vice President vom Design Center bei Miele.
Und wie ist es mit dem Staubsauger – der verbringt ja die meiste Zeit im Schrank?
A. E.: Das Gesicht der Marke muss sich wie ein roter Faden durch sämtliche Produktkategorien ziehen. Auch ein Staubsauger muss also die Erwartungen der Kundinnen und Kunden immer wieder aufs Neue erfüllen, nicht nur am POS (Point of Sale, also zum Beispiel im Laden), sondern auch, wenn er die meiste Zeit im Schrank steht. Und das ein Produktleben lang.
Inwieweit sind Haushaltsgeräte überhaupt sichtbar?
A. E.: Immer mehr Geräte im Haus werden so gestaltet, dass sie optisch in den Hintergrund treten. Der Trend nennt sich «ShyTech». Die prominent inszenierte Stereoanlage oder der zentral angeordnete Küchenherd sind in modernen Wohnungen kaum mehr zu finden. Aus dem Herd ist ein hoch eingebauter Backofen mit einem in die Arbeitsplatte integrierten Induktionskochfeld mit Dunstabzug geworden, die Spülmaschine und der Kühlschrank «verstecken» sich hinter glatten Möbelfronten, und selbst Waschmaschinen werden mehr und mehr ins Wohnumfeld, zum Beispiel ins Bad, integriert. Kochen kann und soll Spass machen. Und Staubsauger, die autonom die Wohnung reinigen, stehen heute neben dem Sofa- und nicht im Schrank.
Inwiefern lassen wir uns beim Kauf überhaupt vom Design leiten?
A. E.: Das Design spielt eine ganz entscheidende Rolle für das Vertrauen und damit für die Kaufentscheidung. Menschen handeln nicht logisch, sondern intuitiv. Das ist ein Erbe der Evolution. Wird also ein Objekt als hässlich empfunden, lässt es sich nur schwer oder gar nicht verkaufen, da weder Vertrauen in dessen Qualität noch besondere Erwartungen in dessen Leistung entstehen. Im schlimmsten Fall produziert eine übertriebene Gestaltung oder ein quietschender Drehwahlschalter serienmässig Enttäuschungen. Das Versprechen einer Marke wird dann durch das Produkterlebnis nicht eingelöst. Das Produkt floppt.
Wie finden Sie ein Design, das trendig ist und doch den breiten Geschmack trifft?
A. E.: Geschmack ist eine sehr persönliche Sicht auf die Welt, durch den sich Haltung und Einstellung einer Person ausdrücken. Oscar Wilde wird das Zitat zugeschrieben: «Ich habe einen sehr einfachen Geschmack: Ich bin immer mit dem Besten zufrieden.» Daher darf der persönliche Geschmack bei der Produktentwicklung keine Rolle spielen.
Wie entsteht ein Design sonst, wenn nicht auf der Grundlage von «Geschmack»?
A. E.: Es gilt, ein Produkt so zu gestalten, dass es eine lange «ästhetische Haltbarkeit» aufweist. Das Design soll also nicht modisch und kurzlebig sein, sondern zeitlos. Es kann so einen grossen Beitrag für die Nachhaltigkeit leisten.
Und was ist die Essenz von gutem Design?
A. E.: Was gutes Design langfristig ausmacht, ist die Konzentration auf das Wesentliche, auf das, was wirklich zählt. Gelingt dies, werden zum Beispiel aus Fahrzeugen irgendwann teure «Oldtimer», Sammlerstücke, die nicht in die Schrottpresse wandern, sondern noch lange repariert, gepflegt – und eben geliebt werden.
Durchlaufen Designs auch bestimmte Testphasen?
A. E.: Mit dem Testen von Design gibt es eine Herausforderung: Wir arbeiten an Produkten, die erst in einigen Jahren auf den Markt kommen. Oft sind es fünf, sechs oder mehr Jahre, die für das Design, die Entwicklung, die Konstruktion und die Fertigung benötigt werden. Wie aber lassen sich heute Produkte und Interfaces für die Zukunft testen, wenn das Umfeld noch die Gegenwart und nicht die Zukunft ist?
Eine gute Frage …
A. E.: Genau. Deshalb erstellen wir sogenannte Persona-Modelle, mit deren Hilfe wir das Leben und die Bedürfnisse der Menschen in zehn Jahren versuchen zu antizipieren. Grundlage hierfür sind unsere regelmässig erstellten Zukunftsszenarien mit einer Zehnjahresperspektive, die Hinweise darauf liefern, welche sinnvollen Entwicklungen eintreten könnten. Wir kochen ausserdem mit Kundinnen und Kunden sowie Versuchspersonen, um herauszufinden, was in wenigen Jahren bereits vorstellbar und akzeptabel ist. Oder besser noch: was Menschen dann begeistern könnte.
Und wie antizipieren Sie künftige Bedürfnisse sonst noch?
A. E.: Durch die Zusammenarbeit mit Menschen mit körperlichen und kognitiven Einschränkungen lernen wir bereits während der Entwicklung, was eine wirklich intuitive Bedienung auszeichnet, die von möglichst vielen Menschen genutzt werden kann. Es geht um «Universal Designs». Miele bietet zum Beispiel als einziger Hersteller eine moderne Waschmaschine mit Touchbedienung an, die blind bedient werden kann, die Miele WWD 131 WPS GuideLine.
Und wie ist es bei Waschmaschine und Trockner – die Farbe «Weiss» steht da kaum zur Diskussion, oder?
A. E.: Wir haben vor einigen Jahren die Farb-Präferenzen in verschiedenen Regionen der Welt untersuchen lassen. Dabei hat sich gezeigt, dass es zwei Felder gibt, die die Farbwahl beeinflussen. Es sind zum einen die Farben der Umgebung, also Landschaft, Licht und Natur, und zum anderen sogenannte Archetypen – also formale Grundmuster, die aber meist mit Farben verbunden sind.