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Bericht Wohneigentum Region Winterthur 2024

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Eigenmietwert oder c’est le provisoir que dure

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Manchmal fördert ein Blick in die Geschichte Erstaunliches zu Tage. Die Besteuerung selbstbewohnten Eigentums, der ominöse Eigenmietwert, wurde erstmals 1915 erhoben. Er wurde als „einmalige“ Kriegssteuer erhoben, um die infolge des Krieges wegfallenden Zolleinnahmen auszugleichen. 1933 war es wieder so weit. Die Weltwirtschaftskrise als Folge des Börsencrashs von 1929 hinterliess Spuren im Finanzhaushalt des Landes und der Bundesrat erinnerte sich, dass man doch schon einmal eine Steuerpflicht auf Wohneigentum eingeführt hatte. Eine gesetzliche Grundlage bestand zwar nicht. Die neue Steuer sollte bis 1938 befristet gelten. Und es begann, was wir aktuell bei der zur Sanierung der Invalidenversicherung befristeten Erhöhung der Mehrwert nun auch beobachten, die ewige Kette der Verlängerungen. Zunächst wurde eine Verlängerung bis 1941 im Rahmen einer Fiskalnotverordnung vom Parlament genehmigt. Bereits 1940 beantragte der Bundesrat der Vereinigten Bundesversammlung eine befristete Krisenabgabe, die ab 1945 als Wehrsteuer bis zur vollständigen Tilgung der Kriegsausgaben hätte weitergeführt werden sollen. Ein Teil dieser Wehrsteuer war auch der Eigenmietwert. In der Folge wurde die Geltungsdauer der Wehrsteuer mehrmals verlängert. 1958 fanden diese Steuern dann eine gesetzliche Grundlage.

Im Unterschied zur Wehrsteuer, welche 1990 in Bundessteuer umgetauft wurde, die immer noch befristet ist und 2020 ausläuft, wurde der Eigenmietwert 1958 ohne Befristung eingeführt. Ein Lehrstück, wie der Staat mit „befristeten“ Einnahmen umgeht.

Die ökonomischen Rechtfertigungen ignorieren die Entstehungsgeschichte des Eigenmietwertes. Da die Schuldzinsen für die Hypotheken und den Unterhalt von der Steuer abgezogen werden könne, werde dem Verfassungsgebot der Wohneigentumsförderung nachgelebt. Die Schattenseiten des Eigenmietwertes sind vielfältig. Tatsache ist, dass sich kaum eine junge Familie ein Eigenheim ohne Hypothek leisten kann. Dazu sind die Grundstückspreise und die zahllosen Auflagen beim Bauen viel zu hoch. In grösserem Stil die Hypothek abzutragen, ist meist erst möglich, wenn die Kinder wirtschaftlich unabhängig sind und einem Beruf nachgehen. Wer es dennoch bis zur Pensionierung schafft, sein Haus oder seine Wohnung weitgehend abzuzahlen, erlebt eine böse Überraschung bei der ersten Steuerrechnung. Dann nämlich schlägt das fiktive Einkommen voll durch. Man zahlt prozentual deutlich mehr Steuern als während der Erwerbstätigkeit. Die bisherigen Versuche, sowohl den jungen Familien als auch älteren Wohneigentümern gerecht zu werden sind gescheitert.

Fakt ist, dass Hauseigentümer seit Jahren vom Fiskus doppelt zur Kasse gebeten werden. Ihnen wird nicht nur der Eigenmietwert als fiktives Einkommen auf ihrem Ersparten aufgebrummt, sie zahlen auch noch Vermögenssteuern für ihre Immobilie. Das verletzt das Verbot der Doppelbesteuerung. Diese Situation ist ungerecht und störend. Es ist nicht in Ordnung, dass Bürger, welche sparsam leben und eigenverantwortlich vorsorgen, steuerlich bestraft werden.

Im Moment besteht Hoffnung, dass diese ungeliebte Steuer fällt. Wir blicken gespannt nach Bern, wo nun die Ausarbeitung eines konkreten Gesetzestextes für einen generellen Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung an die Hand genommen wird. Spätestens in 2 Jahren soll dieser vorliegen. Mit andern Worten, wir werden noch einige Jahre mit der höchste unbefriedigenden Situation der Wohneigentumsbesteuerung leben müssen.

Autor

Martin Farner-Brandenberger

Kantonsrat und Präsident Hauseigentümerverband Region Winterthur

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