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Bericht Wohneigentum Region Winterthur 2024

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Eine Ode an das Tageslicht

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Eine Hebeschiebetüre ersetzte ein normales Fenster und erhöhte den Tageslichteintrag merklich.

Tageslicht erzeugt besondere Stimmungen, Farben und Schattenspiele in einem Raum. Seine Bedeutung ist gewachsen und die Anforderungen in der Gebäudeplanung sind seit 2019 in einer Norm festgelegt. Jessica Byland, Projektleiterin bei der Bähler Bau AG, erläutert, worauf bei Umbauten und Sanierungen zu achten ist.

Als es noch kein elektrisches Licht gab, war das Tageslicht die wertvollste Lichtquelle im Gebäude, und Position und Grösse der Fenster waren entsprechend wichtig. Das Licht ermöglichte die Wahrnehmung der Räume und erlaubte Baumeistern historischer Bauten, ihre Räume effektvoll zu inszenieren. In der Praxis und im Wohnbereich ging es aber auch darum, möglichst viel Wärme im Innern zu halten und sich vor Eindringlingen zu schützen, weshalb Burgen beispielsweise sehr kleine Fensteröffnungen aufweisen.

Mit der Erfindung des Kunstlichts gegen Ende des 19. Jahrhunderts verlor das Tageslicht an Bedeutung. Räume konnten unabhängig von der Tageszeit beleuchtet und Unzulänglichkeiten in der Tageslichtplanung kaschiert werden. Inzwischen ist man sich der Bedeutung des Tageslichts wieder bewusst geworden. Man erkannte, dass viele physiologische Abläufe auf das natürliche Licht abgestimmt sind. So regt beispielsweise die Lichtfarbe je nach Tageszeit andere hormonelle Prozesse im menschlichen Körper an.

Der hohe Blauanteil am Morgen unterdrückt die Ausschüttung des Hormons Melatonin und fördert das Wachwerden. Im Verlauf des Nachmittags reduziert sich der Blauanteil wieder und die körpereigene Ausschüttung des Melatonins steigt an. Man spricht vom zirkadianen Rhythmus, der die Fähigkeit unseres Körpers bezeichnet, physiologische Vorgänge auf die Zeitdauer von rund 24 Stunden zu synchronisieren. Für die Entdeckung dieser Mechanismen erhielten drei US-Forscher 2017 den Nobelpreis für Medizin.

Tageslichtnorm für Gebäudeplanung

Licht wirkt also gleich auf dreifache Weise auf den Menschen: visuell, emotional und biologisch. Und auch wenn die Kunstlicht-Technik mit Tageslichtsimulationen wie dem Human Centric Lighting (HCL) weit fortgeschritten ist, kann es das Tageslicht nicht ersetzen. Seit April 2019 schreibt die Tageslichtnorm SN EN 17037 seine Bedeutung auf gesetzlicher Ebene fest und definiert entsprechende Anforderungen mit dem Ziel, den Nutzerkomfort und die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern, da Tageslicht auch als gratis vorhandene Energiequelle wertvoll ist.

«Die Fensterfläche muss heute zehn Prozent der Bodenfläche betragen», erklärt Jessica Byland, Projektleiterin der Bähler-Bau AG, eines auf Fassaden, Umbauten, Renovationen und Sanierungen spezialisierten Unternehmens. Das gilt für Neubauten, nicht aber für Sanierungen, denn dort greift der sogenannte Bestandesschutz. Das heisst, bestehende Bauten dürfen in der bisherigen Art genutzt werden, auch wenn sie nicht mehr aktuellen Normen entsprechen.

Die Tageslichtnorm ist somit eine gesetzliche Forderung, welche die Bedeutung des Tageslichts unterstreicht und gleichzeitig dem Wunsch vieler Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer entspricht, die sich helle Räumlichkeiten und grosse Fensterfronten wünschen. Während der Fensteranteil im Neubau optimal nach gesetzlichen Forderungen und Wünschen umgesetzt werden kann, sind die Möglichkeiten bei einem Umbau oder einer Sanierung beschränkter, aber trotzdem gegeben und auch ein Thema.

Mehr Tageslicht nach Umbau

Die kleine Küche wurde mit einem Wandausbruch ...
... zu einer grosszügigen und hellen Wohnraumküche umgebaut.

«Das Tageslicht hat an Bedeutung gewonnen, und die Helligkeit ist ein Thema, wenn es um Umbauten und Sanierungen geht», das bestätigt auch Jessica Byland. Konkret gehe es beispielsweise um die Befürchtung, dass eine Fassadensanierung den Lichteintrag reduziere. Doch die Expertin relativiert: «Helle Fassadenfarben machen den Verlust fast schon wieder wett. Ausserdem gewöhnt man sich relativ rasch an etwas breitere Leibungen.» Trotzdem prüfe man bei Umbauten alle Möglichkeiten, die sich bieten, mehr Licht in einen Raum einzubringen, unter anderem mit Fenstervergrösserungen, wenn die baulichen Voraussetzungen es zulassen.

Obwohl die Behörden gerade im Hinblick auf die neue Tageslichtnorm Fenstervergrösserungen wo möglich unterstützen, sind sie – insbesondere in denkmalgeschützten Gebäuden – nicht immer realisierbar. «Dann achten wir umso mehr auf einen entsprechenden Innenausbau. Weisse Wände, helle und zeitlose Böden und Möbel sowie glänzende Oberflächen reflektieren das Tageslicht und wirken freundlich und hell», so Jessica Byland. Allerdings sei darauf zu achten, unangenehmen Blendungen zu vermeiden oder thermische Glasbrüche zu verhindern, die beispielsweise durch Heizkörper oder Spots sowie stark reflektierende Gegenstände in Fensternähe begünstigt werden könnten. Und es gebe durchaus ein Zuviel an Fenstern, was letztlich die Möblierung erschwere.

Ein gewisser Wandanteil ist also nötig, einerseits, um Möbel zu stellen, aber auch für ein ausgeglichenes Raumklima. In Wänden wird Wärme gespeichert, durch Lüften aber auch wieder abgeführt, während dem Wärmeeintrag durch Fenster durchaus Beachtung geschenkt werden muss. Zwar weisen moderne zwei- bis dreifach verglaste Fenster bezüglich des G-Werts optimale Energiedurchlasswerte aus – und dies unabhängig davon, ob es sich um Metall-, Holz- oder Kunststofffenster handelt – trotzdem ist eine aussenseitig angebrachte Beschattung sehr wichtig, idealerweise integriert in die Fassade. Besonders beliebt sind Rafflamellenstoren, die in diversen Winkeln beschatten und trotzdem Aussicht gewähren.

Glänzende Oberflächen lassen einen Raum heller wirken.
Auch im Badezimmer sorgen helle Wände und Möbel sowie ein schöner Bodenbelag für ein viel freundlicheres Ambiente.

Raumverteilung gemäss Tageslicht

Tageslicht bringt aber nicht nur Helligkeit in einen Raum, es sorgt auch für unterschiedliche Stimmungen über den ganzen Tag und die Jahreszeiten hinweg. Und selbst ein Regentag kann schöne Lichtstimmungen erzeugen. «Deshalb achtet man bei der Raumaufteilung zusätzlich darauf, wo die Morgen- und wo die Abendsonne eindringt. Ein Schlafzimmer beispielsweise kann gut nördlich ausgerichtet sein, während man im Wohnzimmer und in der Küche gerne die Morgen- und/oder Abendsonne geniesst. Hier geht man auf die individuellen Vorlieben, Bedürfnisse und auch Lebensgewohnheiten der Bewohnerinnen und Bewohner ein. Zusätzlich wird die Planung des Kunstlichts optimal auf die vorhandene Tageslichtversorgung abgestimmt.»

Und auch bei Anbauten komme es darauf an: «Wir haben letztes Jahr einen komplett verglasten Anbau realisiert, der keinen Verlust an Tageslicht zur Folge hatte, sondern im Gegenteil Licht einbrachte. Bei Aufstockungen arbeiten wir, wenn möglich, mit Dachlukarnen und achten allgemein darauf, dass Anbauten keine Verdunklung der nachgelagerten Räumlichkeiten nach sich ziehen», sagt Jessica Byland und nimmt Bezug auf ein Umbauprojekt, das die Bähler Bau AG letztes Jahr realisiert hat, ein allein stehendes Einfamilienhaus im Turbenthal, das lange leer stand und nun nach einer Gesamtsanierung ein attraktives, helles Wohnumfeld bietet. «Indem wir Wände versetzt und Räume dadurch vergrössert haben, konnten wir den Lichteintrag erhöhen. Konkret haben wir zum Beispiel die Abwinklung einer Dachschräge im Kinderzimmer herausgerissen, was den Raum grösser und heller werden liess. Die grösste Veränderung erwirkten wir im Wohn- und Esszimmer mit dem Ersatz eines normalen Fensters durch eine Hebeschiebetüre. Wir haben ausserdem das weiss lasierte Holz entfernt und dadurch etwas an Raumhöhe gewonnen. Vor allem wirkten die Räumlichkeiten so leichter und auch heller», sagt Jessica Byland abschliessend und zeigt damit auf, wie auch bei einem Umbau der Anteil an Tageslicht erhöht werden kann.

Das unscheinbare Einfamilienhaus im Turbenthal wurde gesamtsaniert und zu einem schmucken Haus umgebaut.
Autorin

Sabine Born

Redakteurin HEV Wohneigentümer

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