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Bericht Wohneigentum Region Winterthur 2024

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Mängelrechtabtretung – Ungesetzliche Praxis

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Seit 1. Juli 2012 und 1. Januar 2013 sind kleine, aber gewichtige Gesetzesänderungen in Kraft. Sie beseitigen Nachteile für Konsumenten und Immobilienkäufer. Viele Generalunternehmer und Notare halten sich nicht an die neuen Regeln.

OR-Revision - Ein Flickwerk

Unlängst sind still und leise kleine, aber gewichtige Gesetzesänderungen, welche die kauf- und werkvertragsrechtliche Mängelhaftung und die Verjährungsfrist betreffen, in Kraft getreten. Dabei haben Bundesrat und Parlament keine guten Noten verdient. Professor Peter Gauch, einer der führenden Baurechtler des Landes, stellt in einem Aufsatz zur Änderung des Obligationenrechts ernüchternd fest: «Es darf füglich gefragt werden, ob sich diese Revision gelohnt hat, die eher an ein Flickwerk erinnert. Vielmehr hätte sich eine umfassend durchdachte Erneuerung der Verjährungsbestimmungen aufgedrängt.» Gauch kritisiert den Gesetzgeber zudem, dass er die strenge Rügeordnung, die ebenso revisionsbedürftig sei und die Käufer und Besteller benachteilige, nicht überarbeitet habe.

Fast stille Gesetzesänderung

Und so sind am 1. Januar dieses Jahres fast unbemerkt die Gesetzesänderungen der beiden OR-Artikel 210 und 371 in Kraft getreten. Art. 201 regelt die Verjährung beim Kaufvertrag neu und Art. 371 diejenige beim Werkvertrag. Die Gewährleistung, früher meist Garantie genannt, hat sich von einem auf zwei Jahre verdoppelt. Konsumenten können also neu während zweier Jahre mangelhafte Arbeiten geltend machen. Gegenstand von Werkverträgen kann die Reparatur eines Autos sein, das Reinigen eines Teppichs oder das Gestalten eines Prospektes.

Bei unbeweglichen Werken gilt neuerdings sogar eine fünfjährige Verjährungsfrist. Bisher galt diese Mängelhaftungsfrist nur für unbewegliche Bauwerke. Für Professor Gauchs Nachfolger am Lehrstuhl der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg, Professor Hubert Stöckli, ist der Wechsel vom unbeweglichen Bauwerk zum unbeweglichen Werk eine massive Ausweitung der fünfjährigen Gewährleistungsfrist. Dazu Hubert Stöckli: «Viele werden sich noch wundern, was alles zu den unbeweglichen Werken zählt. Ich zähle bloss mal ein paar auf: Gebäuderenovationen, Maschinen und Geräte, die mit dem Boden oder mit Gebäuden verbunden sind, Einbau von Alarmanlagen, Montage von Reklameschildern, Gartengestaltung und Bepflanzungen oder gar das Schneiden von Bäumen.» Für solche Arbeiten, also neu «Werke», haften Unternehmer und Handwerker seit diesem Jahr nun fünfmal so lang wie bisher.

Der Wechsel vom unbeweglichen Bauwerk zum unbeweglichen Werk bedeutet eine massive Ausweitung der fünfjährigen Verjährungsfrist.

Professor Dr. Hubert Stöckli, Direktor des Instituts für schweizerisches und internationales Baurecht, Universität Freiburg

Bei den meisten angefragten Firmen und KMU waren die neuen Gewährleistungsfristen schlichtweg unbekannt. Es gibt Fachverbände, die selbst nach der Inkraftsetzung noch nicht wussten, welche konkreten Auswirkungen die längeren Fristen für die Mitglieder haben. Die neue Regel hat sogar Rückwirkung auf im Jahre 2012 abgeschlossene Arbeiten. Über die Rückwirkung der neuen gesetzlichen Änderungen wurde im Parlament ebenso wenig diskutiert wie über den Wechsel der Begriffe vom «unbeweglichen Bauwerk» zum «unbeweglichen Werk». Nicht nur Fachleute sind überzeugt, dass dem National- und Ständerat die Folgen seiner Beschlüsse gar nicht bewusst waren. Und das gibt inskünftig bestimmt Juristenfutter und Arbeit für die Gerichte. Auch Professor Peter Gauch missfallen die diskussionslosen Änderungen: «Dieser verhängnisvolle Wechsel bedeutet einen Bruch mit einer über hundert Jahre alten Tradition.»

Unzulässige Mängelrechtabtretung

Szenen- und Seitenwechsel. Sowohl beim Kauf von Stockwerkeigentum als auch beim Erwerb von Eigenheimen oder bei Gewerbe- und Geschäftsbauten hat sich in den letzten Jahre immer mehr eine Unsitte in Kaufverträge eingeschlichen: Ausschluss der Haftung und das Abtreten von Mängelrechten. Besonders Generalunternehmer (GU) bewegen sich recht erfolgreich in diesen juristischen Grauzonen. Hinzu kommen die vermehrt zu beobachtenden Weitervergaben von Bauarbeiten und Aufträgen an ausländische Billig-Subunternehmer. Über die genauen Vertragsabreden und Vereinbarungen zwischen Ersteller bzw. Verkäufer und seinen Unternehmern sowie Subunternehmern ist der Käufer so gut wie nie im Bilde – kann es gar nicht sein.

Es ist in der Regel bloss ein kurzer Satz im Vertragswerk – mit grossen und weitreichenden Folgen. Dennoch, seriöse und traditionelle Generalunternehmer und Immobilienverkäufer treten die Mängelrechte auch heute nicht auf die in Bausachen meist unerfahrenen Käufer ab. Denn bei solchen unfairen, und neuerdings unzulässigen, Kaufverträgen muss sich der Käufer selbst um die Mängel- und Schadensbehebung kümmern. Er muss jeden einzelnen Leistungserbringer, also Unternehmer und allenfalls Subunternehmer, zur Mängelbehebung anhalten und auffordern. Dem Hauseigentümerverband Region Winterthur stösst diese unlautere Praxis schon lange auf. Geschäftsführer Ralph Bauert bestätigt: «Der Käufer muss, meist noch unter Zeitdruck, herausfinden, welcher Unternehmer für den Mangel oder Bauschaden verantwortlich ist. Dann muss er diesen nicht nur rügen, sondern auch noch beweisen.»

Es kann doch nicht sein, dass der Generalunternehmer die Gewährleistung für Mängel wegbedingt, sich damit jeglicher Verantwortung entzieht und der Käufer das Risiko hat.

Ralph Bauert, Geschäftsführer HEV Winterthur

Es liegt auf der Hand, dass die betroffenen Käufer, meistens Baulaien, mit dieser Problematik total überfordert sind. Dazu Ralph Bauert: «Ohne den Beizug eines Experten geht häufig nichts. Zudem ist in der Regel auch noch ein versierter und erfahrener Bauanwalt erforderlich. Am Ende resignieren viele Käufer, da der finanzielle und zeitliche Aufwand viel zu gross wird: Sie lassen die Mängel schliesslich auf eigene Rechnung beheben.»

Hoffnung Artikel 8 UWG

Über die ungesetzliche Mängelabtretung hat Baurechtsprofessor Hubert Stöckli schon mehrere kritische Berichte und Stellungnahmen geschrieben: «Die Mängelabtretungen in Kaufverträgen sind für den Käufer unfair, und solche Verträge sind wegen Verdachts auf unlauteren Wettbewerb äusserst problematisch.» Dem Käufer wird dabei oft suggeriert, er sei durch die Mängelrechtabtretung gegen Schäden geschützt. Die Realität ist eine andere, denn das Gegenteil trifft zu. Dazu ein Beispiel: In einem Kauvertrag wird mit dem Generalunternehmer vereinbart, die Bodenheizung könne die Räume bis auf 25 Grad beheizen. Der GU wiederum macht mit den Wärmeerzeugern (Heizungsfirmen und Lieferanten) ab, dass die Bodenheizung auf 22 Grad auszulegen sei. Stellt der Käufer diese Diskrepanz fest und beanstandet dies, so muss er gemäss Verträgen mit Mängelrechtabtretungen mit den Heizungsfirmen Kontakt aufnehmen. Diese wiederum berufen sich auf ihre (Werk-)Verträge mit dem GU – und lehnen das Ansinnen des Käufers ab. Zu Recht! Denn in einem solchen Fall berufen sich die Wärmeerzeuger auf ihre Verträge mit dem GU. Dabei kommt es also rechtlich nicht auf das an, was der GU dem Käufer zugesichert oder versprochen hat. Fazit: Der Käufer ist der geprellte.

Nicht nur gemäss den Baurechtsprofessoren Gauch und Stöckli verstossen die vorgenannten Haftungsausschlüsse oder Mängelrechttransfers gegen den revidierten und verschärften Artikel 8 UWG (Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), der seit 1. Juli 2012 in Kraft ist. Dazu Professor Hubert Stöckli: «Die Kombination von Haftungsausschluss und Mängelrechtabtretung ist nicht nur in rechtlicher Hinsicht kritisch, weil die Abtretung von Mängelrechten nur in sehr beschränktem Mass zulässig ist.» Wie auch das vorgenannte Beispiel zeigt, stehen die Käufer in der Phase der Mängelbehebung so da, wie wenn das Objekt im klassischen Einzelleistungsmodell, also mit den vielen Neben- und Subunternehmern, gebaut ist. Solch nachteilige Abreden sind unlauter und damit widerrechtlich.

Notare sind gefordert

Beim Kauf von Immobilien und Wohneigentum ab Plan ist also Vorsicht geboten. Trotz der neuen gesetzlichen Besserstellung für Konsument und Käufer empfehlen Notare noch immer Kaufverträge mit den beschriebenen, unfairen Klauseln. Sie verwenden vielfach Standardverträge, die ab dem dritten Jahr die Mängelbehebungs- und Gewährleistungsansprüche des GU an den Käufer übertragen. Der HEV Region Winterthur hat diesen Sommer die Notariate der Bezirke Winterthur, Pfäffikon und Andelfingen angeschrieben und sie an das revidierte UWG mit Artikel 8 erinnert. Am 26. November 2013 führte der HEV Region Winterthur eine öffentliche Fachveranstaltung zu den Themen Haftungsausschluss und Mängelrechtabtretung durch. Und das Notariatsinspektorat des Kantons Zürich hat inzwischen eine Arbeitsgruppe zum Thema eingesetzt. «Endlich bewegt sich in dieser leidigen Sache etwas», sagt HEV-Geschäftsführer Ralph Bauert.

Die Zeitschrift Immobilia vom SVIT Schweiz informiert in der Ausgabe Dezember 2013 über die Problematik bei der Mängelabtretung bei neugebauten Liegenschaften. Im Artikel wird HEV-Geschäftsführer Ralph Bauert zitiert und die Fachveranstaltung vom HEV Region Winterthur vom 26. November 2013 erwähnt.

Immobilia SVIT Dezember 2013

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