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Bericht Wohneigentum Region Winterthur 2024

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Stadtgemüse dank «Gärtlidenken»

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Pflanzsäcke mit Vlies – das verringert das Verdunsten von Wasser und lässt überschüssiges Wasser auslaufen – lassen sich gut mit einem farbigen Hochbeet kombinieren.

«Veg and the City» steht für urbanes Gärtnern wie Carrie Bradshaw für Stilettos und New York. Was vor zehn Jahren als Onlineshop begann, ist heute ein Kompetenzzentrum für blühende Ess-Inseln in der Stadt. Foodscaperin Julia Goedicke skizziert für uns drei Pflanzpläne für drei «Gärten».

Gemüse wächst überall, nicht nur in gross angelegten Gärten erfahrener Landfrauen. Im Topf, Hochbeet, Pflanzsack oder auf einer kleinen Brache – wo Erde reinpasst, gedeihen auch Blumen und Gemüse. Das war die Idee von Veg-and-the-City-Gründerin Gudrun Ongania, die Städterinnen und Städter fürs Gärtnern begeistern wollte. Vor sieben Jahren eröffnete «Veg and the City» den ersten Store in der Europa-
allee in Zürich, zwei weitere folgten in Zürich und Winterthur.

Dort und online erhält man schöne Pflanzgefässe, schickes Gärtnerzubehör, Bio-Samen, Setzlinge und vieles mehr. Das erforderliche Garten-Wissen vermitteln Expertinnen und Experten von «Veg and the City» an Gartenkursen und Workshops. Know-how, das im besten Fall Wurzeln schlägt und den Bezug zu Nahrungsmitteln wieder herstellt – denn kein Rüebli schmeckt besser, als das aus dem eigenen Garten.

«Wenn Ziergärten Beeren und Gemüse Platz machen, spricht man auch von Foodscaping», erklärt Julia Goedicke, urbane Gartenplanerin, Landschaftsarchitektin und bei «Veg and the City» seit fünf Jahren für die Planung und Ausführung essbarer Bepflanzungen zuständig. Für den «Wohneigentümer» hat sie drei urbane «Gärten» mit essbarem Grün bestückt.

Kräuter lieben es sonnig und duften herrlich. © RnD photography
Gute Idee: Pflanztaschen zum Aufhängen. © RnD photography
Kletterpflanzen erobern die Vertikale. © RnD photography

Szenario 1: Hochbeet

Ein schmales Hochbeet mit Natursteinen ist rund um einen offenen Sitzplatz angelegt, dessen Treppe in den Garten führt. Hier soll es möglichst lange blühen. Gewünscht werden mehrjährige Pflanzen, eventuell Kletterrosen, wenig Wechselflor, aber doch gerne Schnittblumen. Der Aufwand soll sich in Grenzen halten. Wichtig: Wertvolles für Vögel und Insekten.

Julia Goedicke «Das tönt romantisch! Essbares, Blühendes und Insektennahrung lassen sich prima kombinieren. Kräuter wie Salbei, Thymian, Oregano und Zitronenmelisse bieten Hummeln, Honig- und Wildbienen Nektar und locken nebenbei Schwebfliegen und Schlupfwespen an, die Läuse und andere Schädlinge in Schach halten. Orange-gelbe Kapuzinerkresse rankt über die Mauer hin­ab und bringt Farbe in die Salat­schüssel ebenso wie die herrlich blauen, nach Gurken schmeckenden Blüten des Borretschs. Ringelblumen zieren freie Flächen, versamen und wachsen im Folgejahr wieder. Ergänzt mit weiteren Blumen, gibt das Hochbeet im Verlauf des Sommers auch einige Blumensträusse her.

Setzt man im Herbst Wildkrokusse, Sternhyazinthen und andere ungefüllte Frühblüher spenden sie bereits im Frühjahr wertvollen Nektar. Mit Duftnesseln, gefleckten Taubnesseln und Kissenastern in verschiedenen Farbtönen schafft man nicht nur herrliche Bienenweiden bis in den Herbst hinein, sondern zaubert auch farbliche Abwechslung ins Hochbeet. Kletterrosen, zum Beispiel Hundsrosen, kombiniert mit Lavendel, sind ebenfalls möglich.»


Szenario 2: Balkon

Auf dem Sitzplatz oder Balkon sollen Geranien ersetzt werden, in vielen Töpfen darf es üppig grünen und blühen. Auch Kräuter, Beeren und Pflückgemüse wären schön. Mehrere Ebenen sind erwünscht, damit nicht alles am Boden steht. Und wie gestaltet man eigentlich einen Balkon, damit er auch im Winter etwas hergibt?

Julia Goedicke: «Oha, das sind viele Anforderungen an die Bepflanzung! Ich würde hier eine mediterrane Bepflanzung vorschlagen. Kräuter wie Thymian, Rosmarin, Salbei duften herrlich und sind mehrjährig und immergrün. Das gilt auch für die graublättrige Ölweide (Eleagnus ebbinggei) – ein idealer Schattenspender mit angenehm süsslichem Duft, der auch hohe Temperaturen verträgt und im Winter blüht. Die Ölweide wächst buschig, ist aber gut schnittverträglich.

In grössere Töpfe von mindestens zehn Litern passen Himbeeren. In noch grössere Tröge Johannisbeeren, Heidelbeeren oder Cassis. Ebenen schafft man mit Pflanzleitern oder Vertikalbegrünungssystemen mit integrierter Bewässerung, zum Beispiel von Minigarden. Als Kletterpflanzen eignen sich mexikanische Minigurken (Melothria scabra), ein rankendes Gurkengewächs mit kleinen Früchten zum Naschen oder Einlegen, ebenso wie Kiwi, Wein, Gurken und Stangenbohnen. Auch Kapuzinerkresse rankt ordentlich in die Höhe. Im Herbst Spinat in die Töpfe säen: Er wirkt als Gründünger und liefert Frühgemüse im Frühling.»


Szenario 3: Hinterhof

Ein Hinterhof, halbschattig mit Spielrasen. Ein Hochbeet für Gemüse und Pflückblumen, ein kleiner Naschgarten für die Kinder und zwei Bäume, um Hängematte oder Slackline dazwischen zu spannen – das ist der Wunsch. Ausserdem soll die Wärmepumpe etwas kaschiert werden.

Julia Goedicke: «In ein Hochbeet passt alles, was im Feld auch wächst. Kinderfreundlich ist Naschobst wie Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren oder Cassis, kombiniert mit Eissalat, einer Reihe Rüebli, Schnittlauch und Thymian. Radieschen sind schnell erntereif. Dazwischen Ringelblumen, Tagetes oder Kornblumen säen – sie eignen sich zum regelmässigen Pflücken.

Wir haben für die Bepflanzung von Hochbeeten verschiedene Mischkulturen zusammengestellt, die gut funktionieren und von Frühling bis Herbst Erträge liefern. Je nach Standort sind Kompromisse nötig: Cherrytomaten gefällt ein schattiger Hinterhof weniger, Salate, Gurken oder Zucchini hingegen lieben ihn. Bei der Bepflanzung gilt also: Man hat die Qual der Wahl.

Das Praktische am Hochbeet: Es lässt sich sehr schnell umsetzen. Ob gekauft oder Marke Eigenbau – ein pflanzfertiges Hochbeet steht innerhalb eines Tages, nur bis zur Ernte dauert es etwas länger. Bäume für Hängematte und Slackline benötigen einen Umfang von mindestens 25 Zentimetern und müssen vier bis fünf Jahre gut anwurzeln. Ideal sind heimische Baumarten wie Kiefern, Feldahorn oder Weiden, die das Stadtklima gut vertragen. Und die Wärmepumpe verschwindet am besten hinter einer Wildhecke aus heimischen Gehölzen wie Tierlibaum (Cornus mas), Wolligem Schneeball (Viburnum lantana) oder einer Hainbuche (Carpinus betulus).»

Grüner Daumen hoch

Kein Platz ist also zu klein, um ein Garten, kein Laie zu unwissend, ein Gärtner zu sein. Was Julia Goedicke Anfängerinnen und Anfängern ans Herz legt: «Viele kleine Töpfe sehen zwar hübsch aus, trocknen aber schnell aus. Besser grosse Pflanzgefässe wählen, eventuell sogar mit integriertem Bewässerungssystem. Gerade für Fruchtgemüse wie Tomaten oder Zucchini Töpfe von über 20 Litern Fassungsvermögen verwenden.» Ausserdem: Wer ernten will, muss geduldig sein. Die Natur hat ihr eigenes Tempo, bringt aber bisweilen phantasievolle Erträge in Form herzförmiger Kartoffeln oder dreibeiniger Rüebli auf den Tisch.

Viele kleine Töpfe sind zwar hübsch, steigern aber den Giessaufwand. © RnD photography

Wenn Julia Goedicke heute in der Stadt brache Flächen sieht, auf denen es grünt und blüht, dann geht ihr das Herz auf. «In vielem nehmen wir den Faden unserer Eltern und Grosseltern wieder auf, Misch- und Permakulturen liegen im Trend. Der Unterschied zu früher: Gemüsebeete dürfen viele Formen haben und Salate und Kohlrabi im Vergleich zu früher ruhig aus der Reihe tanzen. Wild darf es sein, Kraut und Kabis vermischt, und Unkräuter gehören dazu.» Einen grünen Daumen brauche es dazu nicht. «Das ist nur ein Gerücht», so Julia Goedicke. Gärtnern, das können alle, und zwar überall.

Autorin

Sabine Born

Redakteurin HEV Wohneigentümer

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