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Bericht Wohneigentum Region Winterthur 2024

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Widersprüche

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Die Schweiz ist berühmt für ihre landschaftlichen Schönheiten. Sie verzeichnet 12 UNESCO-Welterbestätten und Biosphären. Zahlreiche weitere Siedlungen und Landschaften unterstehen nationalem, kantonalem oder kommunalem Schutz. Zahlreiche Industriearbeitsflächen sind stillgelegt worden und werden sukzessive neuen Nutzungen zugeführt. Der Siedlungsdruck steigt dennoch unverändert. Allein im Kanton Zürich sollen in den nächsten 20 Jahren weitere 300'000 Personen wohnen und arbeiten können. Die raumplanerische Herausforderung heisst Verdichtung zum Schutz der unüberbauten Flächen.

Lange hat sich die Schweiz Hochhäusern verschlossen. In zahlreichen Bau- und Zonenordnungen gab es eine klare Höhenbegrenzung für Wohn- und Bürogebäude. Entsprechend waren selbst die Arealüberbauungen der 60er- und 70er Jahre Landfresser.

Der angestrebten Verdichtung stehen viele Hindernisse entgegen. Die bestehende Bausubstanz lässt sich aus statischen Gründen nicht in jedem Fall durch weitere Stockwerke ergänzen. Aufzonungen stossen insbesondere an Gemeindeversammlungen nicht nur auf Gegenliebe.

Getreu der 5. Landessprache, der Einsprache wehren sich Organisationen des Heimatschutzes und auch Private gegen Verdichtungen. Immer öfter entscheiden Gerichte, ob umgebaut oder neugebaut werden kann. Die Prozessrisiken sind hoch. Es ist sehr schwierig, den Ausgang solcher Verfahren abzuschätzen. Die Entscheide führen oft zu unerfreulichen Ergebnissen für die bauwilligen Eigentümer. Erschwerend kommt hinzu, dass jedes Vorhaben als Einzelfall gewürdigt wird.

Gerichte stützen sich auf Verfassung, Gesetze und Verordnungen. Natur-, Heimat- und Denkmalschutz basieren auf Verfassungsbestimmungen und sind in ausführlichen Erlassen geregelt. «Gemäss Artikel 78 der Bundesverfassung (SR 101) ist der Bund verpflichtet, bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes zu nehmen. «Er schont Landschaften, Ortsbilder, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler; er erhält sie ungeschmälert, wenn das öffentliche Interesse es gebietet.» Um diese Pflicht – die Interessenabwägung zwischen dem Natur- und Heimatschutz und den vielfältigen Aufgaben des Bundes, seiner Anstalten und Betriebe – sachgerecht wahrnehmen zu können, werden als Entscheidungsgrundlage Bundesinventare erarbeitet.» So nachzulesen auf der Website von ISOS, dem Bundesinventar schützenswerter Ortsbilder.

Eine Arbeitsgruppe des Amtes für Raumentwicklung hat zum Thema «ISOS und Verdichtung» einen Bericht verfasst. Darin ist u.a. festgehalten: «Damit ist das ISOS eine Grundlage für die Planung und muss als solche beigezogen werden. Das ISOS zeigt die Interessen und Ziele des Ortsbildschutzes aus nationaler Sicht auf, ist jedoch nicht bereits das Resultat einer Interessenabwägung.» Obwohl den Bundesinventaren keine unmittelbare, sondern eine mittelbare Geltung zukommt, sieht es in der Praxis der Gemeinden oft anders aus. Die schiere Menge der inventarisierten Ortsbilder hat zu einem Vorstoss auf Bundesebene geführt, welcher hier eine mehr als angezeigte Redimensionierung und eine Stärkung der Positionen von Kantonen und Gemeinden verlangt.

Eine kritische Haltung gegenüber den allseits auftauchenden Forderungen nach Ortsbildschutz, Erhaltung alter Bausubstanz usw. heisst keineswegs, dass damit diese Anliegen falsch seien und aufgegeben werden sollen. Der Alarmismus in Heimatschutzkreisen ist unnötig. Was wir brauchen, ist Fokussierung. Nicht jedes noch existierende Riegelhaus, nicht jede Strassenzeile muss für immer so aussehen wie wir sie heute als schön und erhaltenswert einstufen. Bauliche Zeitzeugen stehen in Konkurrenz zu Forderungen nach Energieeffizienz, zu den Bedürfnissen einer wachsenden Bevölkerung nach Wohnraum. In diesem Konflikt muss ein neues Gleichgewicht gefunden werden.

Funktionale Bauten, die einst für die Bedürfnisse vor 80 Jahren ausgelegt wurden, müssen den neuen Gegebenheiten angepasst werden können. Gewerbetreibende waren über Jahrhunderte in den Ortszentren zuhause. Sie trugen und tragen zur Belebung des Dorflebens bei wie Poststelle und der Dorfladen.

Autor

Martin Farner-Brandenberger

Kantonsrat und Präsident Hauseigentümerverband Region Winterthur

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