Bei Nachbarschaftskonflikten die Rechtslage erklären kann viel helfen, wie eine Expertin sagt. Doch nicht immer gelingt eine Mediation.
Die Sommerzeit ist punkto gutnachbarschaftliches Verhältnis eine Risikophase. Ein wüst rauchender Grill ist ein verbreiteter Grund für erhitzte Gemüter. Es sind nicht nur Gerüche und Geräusche aller Art, die für Streit sorgen. Ein sehr häufiger Streitgrund sind über das Grundstück ragende Äste, zu nah an der Grenze postierte Pflanzen und Schatten werfende Hecken. Oder Haustiere.
27% der Menschen in der Schweiz geben an, schon mal einen Nachbarschaftsstreit erlebt zu haben. Und so ein Konflikt kennt regelrechte Eskalationsstufen. Vom noch informellen Gespräch über den Gartenhag über eine Mediation geht der Weg zum Friedensrichter oder zum Schlichtungsverfahren. Die nächste Instanz sind dann die Gerichte. Aus einem eigentlich lösbaren Anliegen wird nicht selten ein irrationaler Streit.
Mediation als Chance
Es liesse sich manches – wenn auch nicht alles – in einem vernünftigen Gespräch lösen. «Als Erstes frage ich immer, ob die Parteien denn schon einmal miteinander gesprochen haben», sagt Sabrina Rizzuto, Leiterin Beratungen beim Hauseigentümerverband Region Winterthur. Die Rechtsanwältin berichtet von Fällen, in denen es gelungen ist, Missverständnisse früh zu erkennen und auszuräumen.
Meistens sei jedoch rasch eine Beratung oder Mediation nötig, sagt Rizzuto. Die Mediation gilt als der sinnvollste Weg, einen Streit beizulegen. Sie ist nicht kostenlos, aber vertraulich. Gelinge die Mediation, einigen sich die Parteien häufig auf einen Vergleich. «Eine Mediation hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn beide Seiten einsichtig werden», betont die Rechtsexpertin.
Selbst wenn die finanziellen Auswirkungen nicht im Zentrum stehen: Ein Streit unter den Nachbarn kostet immer auch Lebensqualität.
Sabrina Rizzuto, Leiterin Beratungen HEV Region Winterthur
Bestimmte Argumente können eine solche Einsicht bei den Streitparteien fördern. So kann eine Fachperson aufzeigen, dass eine Klage kaum Aussicht auf Erfolg hat. Juristen legen dabei die Rechtslage dar. Wirkt dies nicht, fördert oft der Hinweis auf die hohen Kosten für Anwälte und Gerichtsverfahren die Bereitschaft zu einer gütlichen Einigung. Die Gerichtskosten können beträchtlich sein. Sie werden vor allem dann ein Risiko, wenn die Rechtslage nicht eindeutig ist – anders gesagt, wenn die Chancen auf Erfolg vor Gericht 50:50 stehen.
Das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) enthält mehrere Artikel zu nachbarschaftlichen Konflikten. So steht in Art. 684: «Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten.» Was dies konkret heisst, ist aber nicht von vornherein klar.
Im Nachbarschaftsstreit im Vorteil
Die Kantone regeln Grenzabstände, Pflanzenhöhen, Kleinbauten oder gar das «Kapprecht» für herüberwachsende Äste. Zudem erlassen auch Städte und Gemeinden eigene Vorschriften, weshalb die Regeln von Ort zu Ort variieren. Wer diese Regeln kennt und sich auf deren Basis im Recht sieht, ist im Vorteil.
Ein einzelnes Gewächs kann schon einmal einen jahrelangen Streit über mehrere Instanzen auslösen. Manche Konfliktparteien beweisen einen langen Atem, nicht zuletzt dank einer Rechtsschutzversicherung. Rizzuto schränkt ein: «Diese übernimmt in der Regel die Kosten eines Rechtsanwalts nur, wenn gewisse Erfolgschancen vorhanden sind.»
Ein Merkmal bei zahlreichen Nachbarschaftskonflikten ist aber auch: Der «Störenfried» sitzt oft am längeren Hebel. Wer sich über den rauchenden Grill, die zu hohe Hecke oder überhängende Äste beschwert, kann zunächst einmal auf taube Ohren stossen. «Man muss dann neue Anläufe unternehmen, um auf das Anliegen aufmerksam zu machen», sagt Rizzuto. Der Verursacher des Problems könne sich zunächst zurücklehnen.
Nach dem verregneten Juli dürften in der Schweiz sommerliche Temperaturen zurückkehren. Streitereien um Grillpartys und andere Krisen sind dann vorprogrammiert. Dabei zeigt sich oft die brüchige Balance zwischen dem Bedürfnis nach persönlicher Entfaltung und der Rücksichtnahme auf die Gemeinschaft. Nachbarschaftsstreitigkeiten gibt es allerdings nicht nur zwischen Hauseigentümern, sondern auch unter Mietern einer Liegenschaft. In diesen Fällen versucht zunächst der Vermieter und Eigentümer, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Bei mietrechtlichen Streitigkeiten ist nicht das Friedensrichteramt, sondern die Schlichtungsbehörde in Miet- und Pachtsachen zuständig.
Konfliktlösung nicht einfach
Expertin Rizzuto beobachtet, dass in letzter Zeit mehr Mietsachen vor eine Schlichtungsbehörde gelangt sind. «Das Verfahren vor einer Schlichtungsbehörde ist kostenlos. Die Parteien haben somit lediglich die Kosten eines allfälligen Rechtsanwalts zu bezahlen. Die Verfahren vor dem Friedensrichter sind hingegen grundsätzlich kostenpflichtig.»
Aber selbst wenn die finanziellen Lasten nicht im Zentrum stehen: Ein Streit kostet immer auch Lebensqualität. «Im Zuhause soll man sich wohlfühlen», sagt Rizzuto. Wer auf einen Konflikt zusteuere, müsse sich fragen, ob man wirklich seine Zeit in einen Streit investieren wolle.
Marc Forster, Finanz und Wirtschaft
Finanz und Wirtschaft (FuW) informiert in der Ausgabe vom 2. August 2025 über Nachbarschaftskonflikte und wie Mediation helfen kann den Streit zu beenden. Im Artikel erläutert Rechtsanwältin Sabrina Rizzuto, Leiterin Beratungen beim HEV Region Winterthur, wie eine Mediation abläuft und was Hauseigentümer beachten sollten.