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Wie weiter beim Lärmschutz?

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Jüngst haben zwei Gerichtsurteile den Zielkonflikt zwischen Lärm- und Gesundheitsschutz einerseits und Zersiedelung und innerer Verdichtung andererseits wieder verstärkt ins Bewusstsein gerufen. Ein Konflikt, der insbesondere die bauliche Entwicklung in städtischen Räumen im Kanton Zürich vor Herausforderungen stellt.

Kürzlich sind in der Stadt Zürich zwei geplante Wohnbauprojekte an den Lärmschutzvorgaben gescheitert. Ende 2021 hob das Bundesgericht die Bau- und Ausnahmebewilligung für ein geplantes Neubauprojekt einer Anlagestiftung auf, Anfang 2022 entschied das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, dass ein Neubauprojekt einer Baugenossenschaft mit günstigen Wohnungen nicht wie geplant realisiert werden darf.

Strengere Rechtsprechung

Die Urteile reihen sich ein in eine zunehmend strenge Rechtsprechung. So hob das Bundesgericht bereits 2016 die sogenannte Lüftungsfensterpraxis auf, wonach die Grenzwerte der Lärmschutzverordnung (LSV) nur an einem zum Lüften geeigneten Fenster jedes lärmempfindlichen Raums einzuhalten sind. Seit diesem Urteil müssen die Immissionsgrenzwerte an allen Fenstern lärmempfindlicher Räume eingehalten werden – in geöffnetem Zustand.

Das Bundesgericht räumte Kantonen und Gemeinden zwar die Möglichkeit ein, Ausnahmebewilligungen zu erteilen. Dies insbesondere, wenn das öffentliche Interesse an einem Bau grösser ist als die strikte Einhaltung der Lärmschutzvorschriften – namentlich beim raumplanerischen Auftrag der Siedlungsentwicklung nach innen. Mit der gegenwärtig praktizierten Vollzugspraxis der LSV ist es daher insbesondere in städtischen Räumen kaum mehr möglich, Wohn- und Schlafräume mit Lüftungsfenstern gegen Strassenräume auszurichten.

Vorstösse auf kantonaler und nationaler Ebene

Angesichts dessen könnte das Postulat "Lärmschutz in Kombination mit Komfortlüftungsanlagen" auf kantonaler Ebene vom 27. Januar 2020 kaum aktueller sein. Darin wird der Regierungsrat eingeladen, eine Verordnungsgrundlage für Baubewilligungen zu erarbeiten. Diese soll es neu ermöglichen, "bei überschrittenen Lärmgrenzwerten (…) ohne Ausnahmebewilligung max. 1/3 der Wohn- und Schlafräume einer Wohnung auch gegen Strassenräume auszurichten." Der Kantonsrat hat das Postulat Ende Januar 2022 zu Bericht und Antrag innert zweier Jahre an den Regierungsrat überwiesen.

Gleichzeitig plant der Bundesrat auf nationaler Ebene eine Teilrevision des Umweltschutzgesetzes. Auslöser der Gesetzesrevision war die Motion "Siedlungsentwicklung nach innen nicht durch unflexible Lärmmessmethoden behindern". In ihr wurde gefordert, dass der Bundesrat das Umweltschutzgesetz und/oder die Lärmschutzverordnung so ändern möge, "dass in lärmbelasteten Gebieten eine sinnvolle Siedlungsverdichtung nach innen ohne Ausnahmebewilligung möglich ist und, wo gegeben, die breit anerkannte Praxis der Lüftungsfensterpraxis Anwendung finden kann." Zur Umsetzung der Motion hat der Bundesrat bis Ende 2021 eine Vernehmlassung durchgeführt. Der HEV Schweiz schlug in seiner Stellungnahme vor, die Lüftungsfensterpraxis gesetzlich zu verankern.

Flexible Vollzugspraxis

Der HEV Kanton Zürich ist gespannt, wie die Lösungsvorschläge aussehen könnten, um den Zielkonflikt zu entschärfen. Denkbar wäre nebst der Lüftungsfensterpraxis etwa auch, dass der Vollzug der gesetzlichen Vorgaben je nach Situation flexibel gehandhabt werden könnte. Gewiss, Lärm kann die Gesundheit schädigen. Niemand sollte ihm dauernd ausgesetzt sein. Aber wer sich für ein Leben in der Stadt entscheidet, träumt in der Regel wohl kaum von einer ländlichen Idylle. Ein gewisses Nebeneinander von Verkehr und Wohnen sollte daher in städtischen Räumen weiterhin möglich sein. Sollen hier flächendeckend dieselben Ruhebedürfnisse wie auf dem Lande gelten, wird die Stadt über kurz oder lang ihre Attraktivität verlieren.

Autor

Albert Leiser

Direktor Hauseigentümerverband Kanton Zürich

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