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Bericht Wohneigentum Region Winterthur 2024

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Darf eine mit Vorsorgegeldern finanzierte Wohnliegenschaft vermietet werden?

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Um den Erwerb von Wohneigentum zum eigenen Bedarf zu finanzieren, kann eine versicherte Person ihr Vorsorgeguthaben teilweise oder vollständig beziehen. Dabei handelt es sich um einen „Vorbezug für die Wohneigentumsförderung“, den sog. WEF-Vorbezug. Dieser kann als Eigenmittel für den Erwerb oder die Erstellung von Wohneigentum eingesetzt werden; er kann aber auch für die Rückzahlung einer Hypothek, für den Erwerb von Beteiligungen an Wohneigentum oder die Finanzierung von Renovationen oder wertvermehrender Investitionen verwendet werden.

Mit dem WEF-Vorbezug kann aber nur eine von der versicherten Person und ihrer Familie selbstbewohnte Liegenschaft finanziert werden. Dabei muss es sich um den Hauptwohnsitz handeln. Die Finanzierung einer Zweitwohnung ist dagegen ausgeschlossen und der Mindestbetrag für den Vorbezug beträgt CHF 20‘000 (alle fünf Jahre). Bei Veräusserung des Wohneigentums muss der vorbezogene Betrag zurückbezahlt werden.

Doch was passiert, wenn die mit Vorsorgegeldern gekaufte Eigentumswohnung bzw. Haus zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr selber bewohnt, sondern vermietet wird? Das Bundesgericht hatte erst kürzlich einen derartigen Fall aus dem Kanton Bern zu entscheiden (BGE 9C_293/2020 vom 1. Juli 2021).

Eine Frau hatte 2003 eine 4½–Zimmerwohnung gekauft und dafür CHF 60‘000 von ihrem Pensionskassenguthaben vorbezogen. Sie wohnte in der Folge in dieser Wohnung, bis sie 2016 bei ihrem Partner einzog und ihre eigene Wohnung unbefristet vermietete, mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten. Im Rahmen einer internen Kontrolle stellte die Pensionskasse fest, dass die Adresse der WEF-Bezügerin nicht mit derjenigen ihres vor Jahren erworbenen Wohneigentums übereinstimmte. Sie forderte deshalb den einst gewährten WEF-Vorbezug zurück mit der Begründung, die gesetzliche Voraussetzung des Eigenbedarfs sei nicht mehr gegeben. Die Frau bezahlte jedoch nicht und die Pensionskasse klagte beim Verwaltungsgericht Bern auf Rückzahlung des WEF-Vorbezugs zuzüglich Verzugszins. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, nicht jede Aufgabe der Eigennutzung habe eine Rückzahlung des WEF-Vorbezugs zur Folge. Es müssten vielmehr eine in Art. 30d Abs. 1 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (BVG) aufgelisteten Voraussetzungen erfüllt sein (Veräusserung des Wohneigentums (lit. a) bzw. Einräumung von Rechten an diesem Wohneigentum, die wirtschaftlich einer Veräusserung gleichkommen (lit. b)). Eine Vermietung nach Aufgabe der Eigennutzung könne dagegen nicht zu diesen Fällen gezählt werden.

Auch das Bundesgericht kam nach eingehender Auseinandersetzung mit Art. 30d BVG zum Schluss, dass eine Vermietung von Wohneigentum wirtschaftlich nicht mit einem Verkauf bzw. einer Einräumung von Rechten, die wirtschaftlich einer Veräusserung gleichkomme, vergleichbar sei. Es handle sich lediglich „um eine faktische Aufgabe der persönlichen Nutzung aufgrund eines obligationenrechtlichen Vertrags (Mietvertrag), welcher das Wohneigentum weder ändert noch (dinglich) belastet und daher wirtschaftlich nicht mit einer Veräusserung vergleichbar ist“. Da der Mietvertrag unbefristet und unter Einhaltung einer Kündigungsfrist beidseitig kündbar sei, bekomme die Vermieterin nach Beendigung des Mietverhältnisses die Nutzung der Wohnung zu Eigenbedarf zurück. Anders würde der Fall nach Auffassung des Bundesgerichts dagegen liegen und dem Zweck der Wohneigentumsförderung widersprechen, wenn ein Vorbezug als erschlichen zu bewerten wäre, dann nämlich, wenn dieser von Anfang einzig eine Gewinn orientierte Investition im Blick hätte. Dies liefe dem Zweck des Vorbezugs zuwider und hätte eine Rückzahlung bzw. Rückabwicklung zur Folge. Vorliegend traf das jedoch nicht zu, hatte doch die WEF-Vorbezügerin zunächst über ein Jahrzehnt ihre Wohnung selber bewohnt und diese erst Jahre später vermietet.

Autorin

Sandra Haggenmacher

Rechtsanwältin, lic. iur., MCJ, Rechtsberaterin Hauseigentümerverband Region Winterthur

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