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Entscheid Bundesgericht: Illegale Bauten ausserhalb Bauzone

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Ein folgenschweres neues Präjudiz des Bundesgerichts zu illegalen Bauten ausserhalb der Bauzonen: Die Pflicht zur Wiederherstellung des ursprünglichen rechtmässigen Zustandes von Bauten, Anlagen und Lagerplätzen verwirkt nicht nach 30 Jahren und besteht somit darüber hinaus.

Sachverhalt

Ein Bauunternehmen betreibt auf einem Grundstück in der Landwirtschaftszone der Gemeinde Neuenkirch im Kanton Luzern seit Jahrzehnten einen Werkhof und Lagerplatz mit zahlreichen Bauten und Anlagen, die grösstenteils nie behördlich bewilligt wurden. Der Gemeinderat Neuenkirch verweigerte die nachträgliche Baubewilligung für die meisten Objekte. Hingegen verzichtete er auf den Rückbau von zwei Objekten, so namentlich das Hauptgebäude und sein Anbau. Er begründete seinen Verzicht damit, dass diese Bauten und Anlagen im Zeitpunkt der Intervention der Behörden bereits seit mehr als 30 Jahren bestanden. Damit war nach seiner Auffassung die Pflicht zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes gemäss bisheriger bundesgerichtlicher Rechtsprechung verwirkt und insofern einem Abbruch und der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nicht zugänglich. Die Luzerner kantonale Rechtsmittelinstanz schützte diesen Entscheid. Zwei Nachbarn zogen diesen Entscheid ans Bundesgericht.

Bisherige Bundesgerichtspraxis

Im Jahre 1981 entschied das Bundesgericht bei einer illegalen Baute innerhalb der Bauzone im Zürcher Seefeldquartier, dass der Anspruch der Behörden auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich nach 30 Jahren verwirke. Konkret ging es damals um eine in den 1920er-Jahren in eine Wohnung ohne Bewilligung eingebaute Galerie von 21 m2 über einem Wohnzimmer. Damals kam das Bundesgericht aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität zum Schluss, dass es keinen zeitlich unbefristeten Anspruch auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands geben könne. Das Bundesgericht legte daher hier die Verwirkungsfrist auf 30 Jahre fest. Dies in Anlehnung an die ausserordentliche Ersitzung von Grundeigentum nach Art. 662 Zivilgesetzbuch (ZGB). Nur bei besonders wichtigen öffentlichen Interessen innerhalb der Bauzonen könne die Wiederherstellung auch nach mehr als 30 Jahren verlangt werden (BGE 107 Ia 121). Hingegen liess das Bundesgericht in der Folge – auch in amtlich publizierten Urteilen – ausdrücklich offen, ob die 30-jährige Verwirkungsfrist auch ausserhalb der Bauzone anwendbar sei (vgl. BGE 136 II 359 E. 8.1 S. 367; BGE 132 II 21 E. 6.3, S. 39 und weitere nicht amtlich publizierte Urteile).

Unterschiedliche Interessenlage

Das Bundesgericht gelangte in seinem Grundsatzurteil vom 28. April 2021 in Fünferbesetzung nun zur Erkenntnis, dass die Grundsatzfrage, ob die für die Wiederherstellung innerhalb der Bauzone entwickelte 30-jährige Verwirkungsfrist auch ausserhalb der Bauzone anwendbar sei, vom Bundesgericht bisher nie in grundsätzlicher Weise geprüft worden sei. Das holte das Bundesgericht nun nach und wendete Art. 1 Abs. 1 ZGB an. Demnach hat das Gericht mangels einer gesetzlichen Regelung nach der Regel zu entscheiden, die es als Gesetzgeber selbst aufstellen würde. Das Bundesgericht prüfte daher zunächst, ob die Gründe, die das Bundesgericht im Jahre 1981 zur Festlegung einer 30-jährigen Verwirkungsfrist innerhalb der Bauzone veranlassten, auch bei illegalen oder nie bewilligten Bauten ausserhalb der Bauzonen zutreffen, oder ob sich die Sach-, Rechts- und Interessenlage so stark unterscheidet, dass sich eine unterschiedliche Regelung aufdrängt oder geboten erscheint. Die 30-jährige Verwirkungsfrist innerhalb der Bauzonen gemäss dem zuvor erwähnten Grundsatzentscheid von 1981 war vor allem mit der Rechtssicherheit sowie mit der Tatsache begründet worden, dass es sehr schwierig sei, nach mehreren Jahrzehnten die früher geltenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse abzuklären. Beide Probleme stellen sich bei Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone nicht, oder jedenfalls nicht in gleicher Weise, wie das höchste Gericht nun erkannte.

Rechtswidrige Nutzung ist nicht zu dulden

Ausserhalb der Bauzonen ist nicht kommunales oder kantonales Recht, sondern seit 1. Juli 1972 (Inkrafttreten Gewässerschutzgesetz) im Wesentlichen einheitliches Bundesrecht anwendbar, womit die Rechtslage einfacher ermittelt werden kann. Zum anderen ist der Rechtssicherheit und der Rechtsgleichheit ausserhalb der Bauzone am besten gedient, wenn klar ist, dass eine rechtswidrige Nutzung nicht geduldet wird, auch wenn sie über lange Zeit nicht entdeckt und beanstandet wurde. Schliesslich dient die Beseitigung rechtswidriger Bauten ausserhalb der Bauzone der Durchsetzung des für die Raumplanung fundamentalen Prinzips der Trennung des Baugebiets vom Nichtbaugebiet. Dieser Trennungsgrundsatz wird aus den verfassungsmässigen Zielen der zweckmässigen und haushälterischen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes abgeleitet (Art. 75 Abs. 1 BV) und gilt als ungeschriebenes Verfassungsrecht. Zudem wurde dieser Trennungsgrundsatz mit der Revision 2012 des Raumplanungsgesetzes, welche am 1. Mai 2014 in Kraft getreten ist, ausdrücklich als Ziel der Raumplanung in Art. 1 Abs. 1 RPG verankert. Dieses Ziel würde vereitelt, wenn illegale Bauten ausserhalb Bauzonen nicht beseitigt, sondern auf unbestimmte Zeit geduldet würden, führte das Bundesgericht aus.

Der Rechtssicherheit und der Rechtsgleichheit ausserhalb der Bauzone ist am besten gedient, wenn klar ist, dass eine rechtswidrige Nutzung nicht geduldet wird, auch wenn sie über lange Zeit nicht entdeckt und beanstandet wurde.

Christopher Tillman

Somit darf eine illegale Nutzung oder eine nie bewilligte Baute, Anlage oder ein entsprechender Lagerplatz ausserhalb der Bauzonen nicht aufgrund des blossen Zeitablaufs von 30 Jahren unbeschränkt beibehalten werden. Die Verwirkung des Wiederherstellungsanspruchs führt auch gar nicht zur Rechtmässigkeit einer Baute oder Anlage, sondern nur zur Duldung, indem rechtswidrige Bauten, die nicht nachträglich bewilligt werden können, nicht erneuert, erweitert, geändert oder wiederaufgebaut werden dürfen. Sie dürfen lediglich mit nicht baubewilligungspflichtigen Massnahmen im Status quo unterhalten werden. Der Widerspruch zwischen Planung und Gesetz gegenüber der Wirklichkeit werde dabei nicht behoben, sondern weiter gefestigt. Die 30-jährige Verwirkungsfrist ist somit nur innerhalb der Bauzonen anwendbar. Der Wiederherstellungsanspruch ausserhalb der Bauzonen verwirkt demgegenüber nicht nach 30 Jahren. Da somit im vorliegenden Fall keine Verwirkungsfrist eingetreten ist, müssen nun auf dem Werkhof des Bauunternehmens in der Gemeinde Neuenkirch sämtliche Bauten und Anlagen sowie der Lagerplatz ausserhalb Bauzonen beseitigt werden. Die Sache wurde daher vom Bundesgericht an die Gemeinde zurückgewiesen, damit diese die Anordnungen für den Rückbau trifft (BGer 1C_469/2019 vom 28. April 2021).

Autor

Christopher Tillman

Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht

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