Nicht selten ist ein Ehegatte nach der Scheidung auf die Benützung der Familienwohnung (Wohnung, in der Eheleute oder Paare in eingetragener Partnerschaft einen gemeinsamen Haushalt führen und ihren Lebensmittelpunkt haben) angewiesen. Für den Vermieter stellt sich hierbei hauptsächlich die Frage, was er unternehmen kann, wenn die Wohnung durch den Scheidungsrichter dem Ehegatten, welcher nicht im Mietvertrag steht, zugewiesen wird und dieser gar nicht so viel verdient, dass er den Mietzins begleichen kann.
Grundsatz
Gemäss Art. 121 Abs. 1 ZGB kann das Gericht dem Ehegatten, welcher wegen der Kinder oder aus anderen Gründen auf die Wohnung der Familie angewiesen ist, die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag allein übertragen, sofern dies dem anderen billigerweise zugemutet werden kann.
Der bisherige Mieter haftet solidarisch für den Mietzins bis zum Zeitpunkt, in dem das Mietverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann, höchstens aber während zweier Jahre. Wird er für den Mietzins belangt, so kann er den bezahlten Betrag ratenweise in der Höhe des monatlichen Mietzinses mit den Unterhaltsbeiträgen, die er dem anderen Ehegatten schuldet, verrechnen (Art. 121 Abs. 2 ZGB).
Dabei spielt es keine Rolle, wer den Vertrag abgeschlossen hat. Für die Übertragung müssen wichtige Gründe vorhanden sein. Ein wichtiger Grund ist zum Beispiel dann vorhanden, wenn ein Ehegatte aus gesundheitlichen, beruflichen oder familiären Gründen stärker auf die Wohnung angewiesen ist als der andere. Die Vermieterschaft kann sich gegen die Anordnung des Mieterwechsels nicht wehren.
Der Scheidungsrichter entscheidet jedoch nicht von Amtes wegen, welchem Ehegatten die Mietwohnung zugewiesen wird. Hierfür braucht es einen Antrag eines oder beider Ehegatten.
Möchte kein Ehegatte in der ehelichen Wohnung bleiben, müssen beide Ehegatten gemeinsam den Mietvertrag kündigen.
Anwendungsfälle
Haben beide Ehegatten den Mietvertrag der Familienwohnung gemeinsam unterzeichnet, kann der Scheidungsrichter auf Antrag eines oder beider Ehegatten den Mietvertrag auf einen der beiden übertragen. Dieser wird dann alleiniger Mieter.
War nur ein Ehegatte Mietvertragspartei und wird diesem die Familienwohnung nicht zugewiesen, verliert dieser die Stellung als Mieter und der andere Ehegatte wird neu Mieter.
Wenn nur einer der beiden Ehegatten den Mietvertrag unterzeichnet hat und die Wohnung alleine behalten möchte, findet keine Übertragung statt. Art. 121 ZGB kommt diesfalls nicht zur Anwendung.
Stellung des Vermieters
Die Vermieterschaft kann sich gegen die richterliche Zuweisung der Familienwohnung an den neuen Mieter nicht wehren. Die Vermieterschaft wird nicht angehört und kann auch keine wichtigen Gründe geltend machen. Demzufolge kann der Vermieter den Mietvertrag aufgrund des Mieterwechsels nicht kündigen.
Folgen der Übertragung
Sämtliche Rechte und Pflichten der beiden bisherigen Mieter oder des bisherigen Mieters aus dem Mietvertrag werden mit der Zuweisung der Wohnung an den neuen Mieter auf diesen übertragen. Dies bedeutet auch, dass allfällige Schäden am Mietobjekt oder Mietzinsrückstände auf diesen übertragen werden.
Der andere Ehegatte und bisherige Mieter verliert somit sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis (ausgenommen der solidarischen Haftung für den Mietzins bis zum Zeitpunkt, in dem das Mietverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann, höchstens aber während zweier Jahre). Die Vermieterschaft kann also während dieser Zeit auch den anderen Ehegatten für die Bezahlung des Mietzinses belangen.
Mitteilung der Übertragung
Das Gericht informiert die Vermieterschaft über den Mieterwechsel.
Schlussbemerkungen
Gegen die Zuweisung der Familienwohnung durch das Gericht im Falle einer Scheidung an den einen Ehegatten, besteht kein Vetorecht der Vermieterschaft. Eine Kündigung aufgrund des Mieterwechsels wäre missbräuchlich.
Sollte der neue Mieter den Mietzins nicht bezahlen oder seine vertraglichen Pflichten zur Sorgfalt und Rücksichtnahme verletzen, kann der Vermieter (unter Einhaltung aller Vorschriften und sofern die Voraussetzungen erfüllt sind) den Mietvertrag kündigen.