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Bericht Wohneigentum Region Winterthur 2024

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Teuerung von Bauleistungen

Datum

Die teils kräftigen Preissteigerungen der letzten zwei Jahre werfen bei Bauherrschaften Fragen auf: Muss ich die vom Unternehmer oder Architekten geltend gemachten höheren Materialkosten akzeptieren? Kann ein Unternehmer die Mehrkosten für die Materialteuerung oder aus Lieferkettenproblemen auf die Bauherrschaft überwälzen?

Werkvertrag mit Teuerungsmechanismus

Wurde im Werkvertrag eine Teuerungsklausel integriert, so gilt der vereinbarte Mechanismus. Der SIA hat dazu in seinen Normen Standardlösungen vorgesehen: das Mengennachweis- und das Indexverfahren (Gleitpreisformel, Produktionskostenindex). Sie basieren nicht auf tatsächlichen Kostenänderungen, sondern setzen auf objektivierte Faktoren; daher erfolgt der Ausgleich nur näherungsweise. Den Vertragsparteien steht die Wahl des Verfahrens frei und es können für verschiedene Kostenarten verschiedene Verfahren gewählt werden.

Fehlendes besonderes Teuerungsabrechnungsmodell

Bei einem Werkvertrag mit oder ohne Einschluss der SIA-Norm 118 mit Pauschal- oder Festpreis ist das Risiko des Unternehmers in der Preiskalkulation eingerechnet. Dazu zählen auch Mehr- und Minderpreise auf Seite Unternehmer. Sind keine Bestimmungen zur Teuerung vereinbart, gelten bei Einheits- sowie bei Globalpreisen die massgebenden Kostenansätze und Warenpreise am Tag der Einreichung des Angebotes oder einem anderen vereinbarten Termin (Stichtag).

Verändern sich Lohnkostenansätze oder Preise gegenüber der ursprünglichen Vertragsgrundlage, verändert sich gemäss SIA 118 die vom Bauherrn geschuldete Vergütung bei Einheits- oder Globalpreisen sowie bei Regiepreisen mit vereinbarten Richtpreisen und Teuerungsvorbehalt. Wurde kein Verfahren für die Teuerung vereinbart, gilt Art. 65 Abs. 2 SIA 118. Diese sieht vor, dass im Bauhauptgewerbe der Produktionskostenindex (PKI) und bei Ausbau und Zulieferung die Gleitpreisformel (GPF) gelten – aber nur wenn die SIA 118 vereinbart ist.

Keine Preisanpassung möglich ist bei festen und fixen Pauschalpreisen, bei Regiepreisen ohne Teuerungsvorbehalt oder, wenn die SIA 118 nicht vereinbart wurde. Dann ist der Unternehmer bei der Teuerung verpflichtet, das Werk zum vereinbarten Preis herzustellen – selbst wenn der Aufwand grösser ist als vertraglich vorgesehen und vom Unternehmer bei der Offertstellung und bei Vertragsabschluss kalkuliert.

Fristüberschreitungen

Bauherr und Unternehmer haften je gegenseitig für Schäden aus Fristüberschreitungen, die sie verschulden. Bei Lieferverzögerungen aus dem Ausland oder behördlichen Pandemiemassnahmen kann der Unternehmer für Terminüberschreitungen aber niemanden zur Verantwortung ziehen und es fehlt insofern rechtlich die rechtfertigende Begründung (Exkulpierung). Daher erhält der Bauherr vom Unternehmer auch keinen Schadenersatz.

Festpreisdurchbruch für ausserordentliche Umstände

Das Festpreisprinzip für Pauschal- oder fixe Festpreise kann unter ausserordentlichen Umständen, etwa einer ausserordentlichen Teuerung, ausnahmsweise durchbrochen werden. Dies gilt, wenn kein Teuerungsabrechnungsverfahren vereinbart wurde oder wenn bei einem Pauschalpreis oder einem Festpreis ausdrücklich keine Teuerungsabrechnung vorgesehen war.

Der SIA hat im Merkblatt vom 27.9.2021 vier Bedingungen für eine Mehrvergütung zusammengefasst, die hier ergänzend präzisiert werden:

Bedingung 1: Der Unternehmer muss aufgrund seiner Informationspflicht die seiner Meinung nach ausserordentlichen Umstände, unverzüglich nach Kenntnisnahme mit der Absicht der Überwälzung auf die Bauherrschaft, anzeigen. Aus Beweisgründen hat dies schriftlich zu erfolgen.

Bedingung 2: Es liegen ausserordentliche Umstände vor, welche nicht vorausgesehen werden konnten oder welche nach den von den Vertragsparteien angenommenen Voraussetzungen ausgeschlossen waren. Diese Umstände dürfen erst nach Vertragsschluss eingetreten oder zu Tage getreten sein.

Bedingung 3: Die ausserordentlichen Umstände verursachen einen erheblichen Mehraufwand. Dieser muss infolge des eingetretenen Zufalls entstanden sein.

Bedingung 4: Die Erfüllung des Vertrags muss dem Unternehmer angesichts der ausserordentlichen Umstände übermässige und unzumutbare Opfer abverlangen. Massgebend ist gemäss Bundesgericht das Missverhältnis zwischen der ganzen Leistung des Unternehmers und der vertraglichen Gesamtvergütung (BGer 4A_605/2020 E. 4.2.2 vom 24.3.2021). Das gilt auch dann, wenn für Einzelleistungen verschiedene Preise vereinbart wurden.

Wenn der Unternehmer – wie bei einer Teuerung – ausserstande ist, dem Hindernis mit zumutbarem Aufwand zu begegnen und sich das – wie bei der Teuerung – auch dem Risikobereich des Bauherrn entzieht – so bleibt der Unternehmer Schuldner und käme bei Nichtlieferung in Verzug. Es liegt daher bei einer ausserordentlichen Teuerung kein Fall von force majeure (höhere Gewalt) vor, da hierfür (Erdbeben, Orkane, Fluten, Felsverschiebungen usw.) keine Partei verantwortlich ist wie das der Unternehmer für das Kalkulationsrisiko ist. Der vereinbarte Preis mit oder ohne Teuerung bleibt daher Risiko des Unternehmers. Ein ausnahmsweiser Festpreisdurchbruch ist nur bei Vorliegen ausserordentlicher Umstände und einem offenbaren krassen Missverhältnis zwischen Gesamtleistung und Gesamtvergütung und ihrer Unzumutbarkeit möglich.

Empfehlungen KBOB

Weil aufgrund von Teuerung und Engpässen Konkurse von Unternehmern drohten und damit niemandem gedient wäre, gab die KBOB am 31. Mai 2021 (aktualisiert am 15.09.2022) folgende Empfehlungen heraus:

  • Bauarbeiten: Entstehen Mehr- oder Minderkosten infolge ausserordentlicher Materialpreisänderungen, sollen diese nachträglich abgegolten werden, sofern sie 5% der gesamten Materialkosten gegenüber dem Stichtag über- oder unterschreiten. Dabei wird ein Zeitraum von 6 Monaten betrachtet.
  • Holzbau: Analog zu Bauarbeiten sollen betroffene Materialen abgegolten werden, sofern sie 10% der gesamten Materialkosten über- oder unterschreiten.
  • Gebäudehülle: Für die einzelnen Materialien gelten gemäss Leistungsverzeichnis je 5% der gesamten Materialkosten analog den Bauarbeiten.

Vier Thesen für die Baupraxis

Grundsätzlich sind Verträge einzuhalten ("pacta sunt servanda"). Zwar sind Teuerungsklauseln in Werkverträgen heute begrüssenswert, die Anwendung ist bei allen Methoden aber aufwändig, komplex und wenig praxistauglich. Die ausserordentlichen Umstände und eine ausserordentlichen Teuerung treffen selten zu und stellen grundsätzlich eine Ausnahme dar. Die KBOB-Empfehlung hilft daher meist nicht weiter. Aus meiner Sicht ergeben sich folgende Thesen:

These 1: Ein Festpreisdurchbruch und damit eine teilweise Übernahme der Teuerung bei ausserordentlichen Umständen durch den Bauherrn kommt gemäss Bundesgericht nur dann in Betracht, wenn die Erfüllung des Werkvertrages für den Unternehmer ein offenbares krasses Missverhältnis zur vereinbarten Vergütung bedeutet und daher nicht mehr zumutbar ist. Es kommt nicht auf die Teuerung bei wenigen Einzelpositionen an, sondern auf das Verhältnis von Gesamtleistung und Gesamtvergütung der jeweiligen Unternehmung, welches unzumutbare Opfer abverlangt (BGer 4A_605/2020 E. 4.2.2). Massgebend sind immer die besonderen Umstände des Einzelfalles. Die Beweispflicht liegt beim Unternehmer.

These 2: Mit Verweis auf These 1 sind ausserordentliche Umstände wie auch eine ausserordentliche Teuerung kein Fall von höherer Gewalt.

These 3: Die spärliche Bundesgerichtspraxis zeigt, dass 5 bis 10% Mehrvergütung gemäss KBOB-Empfehlung kein genereller Schwellenwert für ein offenbares krasses und unzumutbares Missverhältnis sind. Da diese Empfehlungen weder Vertrag noch Gesetz sind, ist nicht darauf abzustellen. Ausserordentliche Umstände im Sinne des Bundesgerichts müssten – wenn schon - m.E. mit einem Schwellenwert von mindestens über 30 % der gesamten Materialkosten beziffert werden.

These 4: Einzelpositionen mit Kostensteigerung von je nach Gewerk in jedem Fall über 10% - 30% kommen aus Brancheninteresse für eine Diskussion und Einigung mit dem Unternehmer in Betracht, wenn die Summe der Teuerung der betreffenden Einzelpositionen mehr als 10% des vereinbarten gesamten Werkpreises ausmacht. Die Betrachtung umfasst sinnvollerweise den Zeitraum zwischen Einreichung des Angebotes (Stichtag) und der tatsächlichen Leistungserbringung bzw. der Materialbestellung. Eine solche Vereinbarung muss immer ohne präjudizielle Wirkung bleiben.

Autor

Christopher Tillman

Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht

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